Prozess:Fürsorglicher Asylhelfer

Lesezeit: 2 min

Der Mann bietet der jungen Afghanin Schutz, die sich von ihrer Familie bedroht fühlt, und sagt als Zeuge aus

Von Christian Deussing, Starnberg/München

Der junge Mann lächelt kurz und legt seine Hand aufs Herz: Der Angeklagte, der in der Hochzeitsnacht seine 21-jährige Braut in Starnberg viermal vergewaltigt und auch gewürgt haben soll, hat am Donnerstag im Saal des Münchner Landgerichts einen afghanischen Freund aus der Andechser Asylunterkunft erblickt. Der Landsmann wird als weiterer Zeuge in dem Fall aussagen, denn er hatte am 4. August 2018 an der Hochzeitszeremonie nach islamischen Recht in München teilgenommen, zu der die Braut laut Anklage gezwungen wurde - bevor es danach im Hotelzimmer zu sexueller Gewalt gekommen sein soll.

Der Freund beschrieb am zweiten Prozesstag den Angeklagten als "einfachen und sehr ehrlichen Menschen", den der Streit um die Mitgift zwischen den Familien des Paares und auch der Konflikt zwischen dem Vater und der Tochter belastet habe. Doch nach der Hochzeit sei sein Mitbewohner "sehr zufrieden und glücklich gewesen", erzählte der 35-jährige Zeuge dem Gericht. Das fragte jedoch nach, ob er auf der Hochzeit bemerkt habe, dass die Braut mehrfach auf der Feier in Ohnmacht gefallen sei. "Nein, solange ich da gewesen bin, ging es ihr gut", beteuerte der Freund des 23-jährigen Angeklagten, der die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wegen Vergewaltigung, Bedrohung sowie Körperverletzung und Freiheitsberaubung abstreitet.

Ein düsteres Bild vom Leben der jungen Afghanin schilderte dagegen ihr Nachhilfelehrer aus einem Asylhelferkreis. Sie hatte sich dem Mann anvertraut und auch dessen Partnerin von den Ohnmachtsanfällen auf der Hochzeit und den Vergewaltigungen in der Hotelnacht berichtet. Die Frau sei permanent bedrängt und auch bedroht und verfolgt worden, berichtete der Helfer aus dem Landkreis Starnberg, zu dem das mutmaßliche Opfer vor ihrer eigenen Familie für zehn Tage geflüchtet war. Denn der Vater habe den Druck auf seine Tochter nach der Hochzeit noch verstärkt und überall nach ihr gesucht. Dabei habe er zuerst noch den Eindruck gehabt, dass der Vater den Willen seiner Tochter respektiere und sie zu nichts zwinge. Doch später habe sich der Mann gewandelt und sie offenbar gebeten, "sich zu opfern, damit die Familie in Ruhe gelassen" werde.

Der Zeuge berichtete zudem, dass die 21-Jährige sich einen Tag vor der Heirat selbst in ein Krankenhaus eingewiesen habe, um dem Hochzeitstermin zu entgehen. Dann sei sie aber über ihren Lieblingsonkel aus der Klinik gelockt worden. Das habe ihm die Frau zumindest so geschildert und hierbei betont, dass sie den Bräutigam nicht liebe. Als die 21-Jährige von dessen Festnahme gut sechs Wochen nach der Hochzeitsnacht erfahren habe, sei sie "erleichtert und erlöst gewesen", erinnert sich ihr ehrenamtlicher Helfer. Er hatte nach eigenen Angaben auch versucht, eine Kontaktsperre zum Mann zu verlängern, der sie trotz ihrer Ablehnung heiraten wollte.

Vernommen wurde im Gericht überdies ein Arzt, der die 21-jährige Afghanin in der Klinik behandelt hatte. Sie habe sich von ihrer Familie unter Druck gesetzt gefühlt, sagte der Mediziner. Es sei ihm zudem der "rege Besuchsverkehr und die Präsenz vieler Angehöriger" im Krankenhaus aufgefallen.

Bereits im vorigen Jahr wollte die 21-jährige Frau ihre Strafanzeige gegen ihren Mann zurückziehen, damit er aus der Untersuchungshaft entlassen werde. Von diesem Rückzieher berichtete am Donnerstag ein Kripobeamter aus Fürstenfeldbruck im Prozess. Unklar blieb dabei aber, wie glaubhaft diese Kehrtwende gewesen ist - jedenfalls wurde trotzdem Anklage erhoben, die auch vor dem Landgericht München II zugelassen wurde.

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt - vernommen werden dann auch die Eltern der Braut, die schon als Minderjährige in Kabul dem Angeklagten als spätere Ehefrau versprochen worden sein soll.

© SZ vom 05.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: