Prozess:Awista verklagt Inning

Lesezeit: 2 min

Abfallverband kauft Grundstück für Wertstoffhof - doch hatte der frühere Eigentümer die Fläche schon lange verpachtet

Von Christian Deussing, Inning/München

Ex-Bürgermeister Werner Röslmair muss aussagen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Als plötzlich dieser ominöse Pachtvertrag im Mai 2012 auftaucht, ist Werner Röslmair völlig fassungslos. Der damalige Inninger Bürgermeister hat gerade eine 3346 Quadratmeter große landwirtschaftliche Fläche an den Abfallwirtschaftsverband Starnberg (Awista) als miet- und pachtfrei verkauft, der südlich des Inninger Kreisels einen Wertstoffhof errichten will. Die ersten Rohre sind bereits verlegt, als der Pächter, ein Landwirt, auf seine Rechte pocht und sich bei dem Geschäft offenbar über den Tisch gezogen fühlt.

Dieser erwirkt per einstweiliger Verfügung einen Baustopp, es kommt zu einem Rechtsstreit und der Awista kann erst zweieinhalb Jahre später als geplant mit dem Bauprojekt beginnen. Der Verband lässt sich das nicht gefallen und verklagt erstmals in seiner Geschichte eine Mitgliedsgemeinde. Der Entsorger fordert nun 127 000 Euro Schadenersatz von Inning, weil durch die lange Verzögerung erhebliche Mehrkosten entstanden seien.

Im Zivilverfahren vor dem Landgericht München II musste jetzt auch der einstige Rathauschef aussagen und erklären, seit wann er von dem Pachtvertrag gewusst habe. Röslmair versicherte, dass er davon erst nach dem Verkauf der Fläche an den Awista erfahren habe. Die weiteren Flächen hatte die Gemeinde für den neuen Bauhof bereits im März 2011 von dem Eigentümer des Grundstücks erworben, das der Pachtbauer schon jahrelang bewirtschaftete.

Röslmair wusste das, denn er kennt diesen Landwirt sehr gut. Es habe auf seiner Terrasse und auf dessen Bauernhof Gespräche über das Dorfgeschehen, die Umgehungsstraße und Windkraft gegeben, aber von einem Pachtvertrag auf dem betreffenden Grundstück sei nie die Rede gewesen, sagte der ehemalige Rathauschef vor Gericht. Das Pachtverhältnis sei auch nicht erwähnt worden, als im Jahr 2010 ein Phantomgerüst auf dem Areal an der Staatsstraße aufgestellt wurde, um die Dimension des künftigen Wertstoff- und Bauhofes zu ermessen. Spätestens zu dieser Phase der Standortsuche hätte der Landwirt doch wissen müssen, "was los ist", betonte Röslmair in der Verhandlung.

Auch der Bauer war als Zeuge geladen und erklärte, dass er den Bürgermeister damals darauf hingewiesen habe, einen schriftlichen Pachtvertrag zu besitzen. Auf Nachfrage von Richter Oliver Ottmann, wann genau dies erfolgt sei, konnte der 54-Jährige jedoch keinen Zeitpunkt nennen. Ohnehin hatte er Probleme, die Chronologie der Gespräche zwischen Röslmair, dem Eigentümer und ihm aufzuzeigen. Der Inninger berichtete aber, dass er vergebens auf ein Angebot hinsichtlich seiner Pachtrechte gewartet habe. Zudem sei man mit "ihm ziemlich rüde umgegangen". Röslmair habe ihm nahegelegt, auf dieses Feld zu verzichten, weil er die Viehhaltung reduziert habe, sagte der Bauer.

Der Richter wünscht sich eine "milde Lösung" in dem Fall, bei dem er niemanden unterstellen wolle, gelogen oder böse Absichten verfolgt zu haben. Trotzdem hätte der einstige Bürgermeister schon auf die "Idee kommen müssen", dass der Landwirt, der diese Fläche so lange bewirtschaftet, auch Rechte haben könnte. Womöglich habe es aufgrund bestimmter beteiligter Personen in dieser Sache eine "Überforderung" gegeben. Das Gericht riet den Parteien, einen Vergleich oder eine "gütliche Einigung" in den nächsten Wochen anzustreben.

Der Awista hat insgesamt 815 000 Euro in den Wertstoffhof investiert und konnte die moderne Entsorgungsanlage nach einem Jahr Bauzeit im Oktober 2015 endlich einweihen. Der Verband hatte hierfür ein Grundfläche von 3646 Quadratmetern erworben.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: