Politik:Der rechte Verteidiger

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Michael Kießling ist seit gut einem Jahr CSU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Starnberg/Landsberg. Jetzt zieht er eine erste Bilanz: 50 Abstimmungen, 1000 Besucher und ein Witzchen zum Start

Von Otto Fritscher, Starnberg

Er hat keine einzige der 50 namentlichen Abstimmungen während der laufenden Periode im Bundestag versäumt, und neun Mal ist Michael Kießling ans Rednerpult vor dem Plenum des Parlaments getreten. Für einen Neuling wie den CSU-Abgeordneten aus dem Stimmkreis Starnberg-Landberg keine schlechte Bilanz. An allen Sitzung hat er indes nicht teilgenommen. "Einfach zu viele Termine", erklärt Kießling, der seit der Bundestagswahl am 24. September 2017 jetzt seit gut einem Jahr dem Parlament angehört. "Nach dem Einsortieren in der Berliner Politik und dem Einrichten der Wohnung habe ich mich gut eingearbeitet", sagt Kießling und bescheinigt sich selbst eine gute Bilanz. Parteifreunde tun dies ebenfalls.

Was ist in den vergangenen 13 Monaten schief gelaufen? Kießling denkt kurz nach und erinnert sich dann an eine seiner Reden. Nein, verhaspelt hat sich der ehemalige Bürgermeister von Denklingen (Landkreis Landsberg) nicht, auch den roten Faden hat er nicht verloren. Der Fauxpas ist ihm gleich am Anfang unterlaufen. "Meine Damen und Herren, ich muss das Niveau hier ein bisschen heben", hob Kießling an. "Es kamen sofort Zwischenrufe von der linken Seite", erinnert er sich und lacht. "Ich wollte doch nur das Rednerpult nach oben stellen", sagt der 1,97-Meter-Mann, der gerade so durch die Tür seines Wahlkreis-Büros nahe beim Landsberger Hauptplatz passt.

Er pendelt häufig zwischen Berlin und Bayern hin und her - hier auf dem Hauptplatz in Landsberg: CSU-Abgeordneter Michael Kießling. (Foto: Otto Fritscher)

Nicht immer geht es im Berliner Politikbetrieb humorvoll zu. Und auch anders ganz als im Bürgermeisterzimmer von Denklingen, in dem Michael Kießling vor seinem Wechsel nach Berlin drei Jahre gearbeitet hat, oder im Gemeinderat. "Im Bundestag und seinen Ausschüssen ist alles viel strenger geregelt, von der oft minutiösen Tagesordnung bis hin zu der Frage, wer wie lange reden darf." Kießling gehört dem Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen an, ist zudem Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie dem Unterausschuss "Bürgerschaftliches Engagement".

Auch Dienstreisen als Parlamentarier hat Kießling schon absolviert. Er gehörte der Delegation an, die vor der Fußball-WM nach Russland gereist war. Was ihn dafür qualifizierte? "Ich spiele bei der Fußballmannschaft FC Bundestag mit", sagt Kießling. "Als rechter Verteidiger", fügt er hinzu und lacht. Jeden Dienstagabend, nach der Fraktionssitzung von CDU und CSU, sind Freundschafts- oder Benefizspiele angesagt. Manchmal versäumt er es, wenn die Fraktionskollegen zu lange diskutieren. Überhaupt ist Kießlings Terminkalender voll. Montagabend trifft sich regelmäßig die CSU-Landesgruppe, die Sitzungswoche des Bundestags geht von Montag bis Freitagnachmittag, und so kommt es vor, dass Kießling mit Besuchern und Gesprächspartnern "Frühstückstermin um 7.30 Uhr", wie der 45-Jährige es nennt, ausmachen muss.

Darüberhinaus haben ihn schon mehr als 1000 Menschen in Berlin besucht, die meisten aus seinem Stimmkreis, sehr oft Schulklassen. Auch hätten sich viele Menschen mit Fragen und Problemen direkt an ihn gewandt, die Themenpalette reicht von "Gibt es wirklich mehr Einbrüche als früher?" bis zum Baukindergeld.

Kießling leitet Anfragen an die entsprechenden Behörden und Ministerien weiter, bohrt nach, wenn er nichts hört. Auch den Kontakt zum Wahlkreis hat der Abgeordnete nicht verloren, sei es bei einer Promi-Ruderregatta des Ruderclubs Lech Kaufering oder beim Bayertorfest in Landsberg. Kann man als MdB wirklich etwas bewegen? Davon ist der 45-jährige CSU-Politiker überzeugt. Auch wenn es langsam geht. Und wie ist es mit dem Koalitionspartner, der SPD? "Die Sozialdemokraten könnten einem fast leid tun", sagt Kießling. Aber wie diese wieder in die Spur kommen könnten, darauf müsse die SPD selbst Antworten finden und geben.

Zu den "wichtigen Anliegen" von Kießling gehört, die Kommunen bei der Schaffung von Wohnraum zu unterstützen. Auch mit Konversionsflächen, ehemaligen Kasernen, die aufgelassen werden sollen, wie in Feldafing und Penzing, hat sich der Diplombauingenieur schon beschäftigt, Gespräche mit dem Präsidenten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Bima geführt.

Zur Frage, wie lange Angela Merkel (CDU) noch Kanzlerin sein wird, will er sich nicht direkt äußern. "Wir haben sie im Bundestag für die gesamte Legislaturperiode gewählt. Neuen Köpfen und Ideen gegenüber sollten wir uns aber nicht kategorisch verschließen", schiebt Kießling nach, und das ist schon ziemlich klar. Ob er lieber im Bayerischen Landtag wäre, in dem es oft lebhafter zugeht als im Bundestag? Das überlasse er gern seiner Parteikollegin Ute Eiling-Hütig aus Feldafing.

13 Monate lebt Kießling jetzt abwechselnd in seiner 40-Quadratmeter-Wohnung in Berlin-Mitte, im früheren Osten der Bundeshauptstadt, zehn Minuten vom Bundestag entfernt, und in seinem Haus im beschaulichen Denklingen. Wenn es nach ihm geht, könnte diese Pendelei, die nach seinen Worten "manchmal doch ganz schön anstrengend ist", noch eine ganze Weile weitergehen. "Ich möchte 2021 wieder als CSU-Direktkandidat aufgestellt werden", erklärt Kießling. Konkurrenten sollten sich schon mal warm laufen und warm anziehen.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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