NS-Geschichte:"Die Fakten sollen ganz genau stimmen"

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Der ehemalige Weihbischof-Defregger-Weg wurde in Filetto-Weg umbenannt. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Gedenktafel in Pöcking zu Weihbischof Matthias Defregger ist nach einem anonymen Schreiben überarbeitet worden. Als Offizier im Zweiten Weltkrieg hatte Defregger den Befehl weitergegeben, 17 Bewohner eines italienischen Dorfes zu erschießen.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Pöcking

Die Gedenktafel zu Weihbischof Matthias Defregger in Pöcking ist überarbeitet worden: Einstimmig und ohne jegliche Debatte befürwortete der Gemeinderat am Donnerstag, dass Änderungen vorgenommen werden sollen. Der Blick zurück in die Geschichte: Bevor Defregger als Theologe Karriere machte, war er Hauptmann bei der Wehrmacht. In dieser Funktion hatte er im Zweiten Weltkrieg den Befehl für eine Vergeltungsmaßnahme im italienischen Dorf Filetto weitergegeben. Bei einem Partisanenüberfall kurz zuvor waren zwei deutsche Soldaten ums Leben gekommen. Als verantwortlicher Offizier ließ Defregger den Befehl ausführen, 17 männliche Dorfbewohner wurden erschossen.

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Eine Delegation aus Pöcking war im Vorjahr nach Filetto gereist und nahm Kontakt zu den Nachfahren der Opfer auf. Historikerin Professor Marita Krauss, die schon mit der Aufarbeitung der Nazizeit im Dorf befasst war, wurde mit der Untersuchung der damaligen Vorgänge beauftragt. Im Februar hatte der Gemeinderat beschlossen, den Weihbischof-Defregger-Weg zum Pöckinger Friedhof in Filetto-Weg umzubenennen. Zudem sollte eine Tafel angebracht werden, auf der das Massaker erklärt wird. Der Text wurde damals abgesegnet. Nach einem anonymen Schreiben, das den Gemeinderäten im März zugegangen war, wurde der Text jedoch überarbeitet. Bürgermeister Rainer Schnitzler: "Die Fakten sollen ganz genau stimmen."

Defregger stellte "die Rechtmäßigkeit des fatalen Befehls nicht infrage"

Unverändert blieben die Fakten zum Massaker am 7. Juni 1944, ebenso die Namen der 17 hingerichteten Männer. Allerdings wurde die Beurteilung der Folgen für Defregger, der sich selbst nie zu den Vorgängen geäußert hatte, detaillierter formuliert. Demnach gab es Ende der Sechzigerjahre drei Ermittlungsverfahren zur Schuldfrage Defreggers, wurden aber in Frankfurt und Rom wegen Verjährung eingestellt. Weiter heißt es: "Die Münchener Staatsanwaltschaft attestierte Defregger, dass er unter Befehlsnotstand gehandelt habe und insoweit eine Schuld auszuschließen sei. Heute gibt es bei dieser Art von Kriegsverbrechen jedoch eine grundsätzlich andere Rechtsprechung. Auch später stellt Defregger die Rechtmäßigkeit des fatalen Befehls nicht infrage und sah sich ohne persönliche Schuld."

Das eigentliche moralische Versagen sei, dass er nie um Verzeihung gebeten und nichts für die Angehörigen der Erschossenen getan habe. Die Tafel soll noch im Mai aufgehängt werden. Im Juni wird eine Delegation aus Filetto erwartet, um an einer Gedenkfeier teilzunehmen.

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