Personalie:"Starnberg war meine erste Liebe"

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Der neue Starnberger Stadtpfarrer, Andreas Jall, hat bereits vor Jahren als Kaplan in der Kreisstadt am See gearbeitet. (Foto: Arlet Ulfers)

Andreas Jall ist neuer Stadtpfarrer in der Kreisstadt. Ursprünglich wollte der gebürtige Unterallgäuer Bauingenieur werden.

Von Sabine Bader, Starnberg

Für Andreas Jall ist es praktisch ein Heimspiel. Denn der neue Starnberger Stadtpfarrer kennt sich schon aus. Gemeint sind damit nicht nur die kürzesten Wege vom Pfarramt zu den Kirchen St. Josef am Schlossberg und zur großen Pfarrkirche St. Maria. Jall weiß etwas viel Wichtigeres: Der 41-Jährige weiß, wie die Starnberger ticken. Denn er hat schon einmal hier gearbeitet. Das war 2005 und 2006, noch unter dem damaligen Stadtpfarrer Konrad Schreiegg kurz vor dessen Pensionierung. Jall übernimmt die Stadtpfarrstelle von Schreieggs Nachfolger Werner Haas, der nach elf Jahren in Starnberg in seine alte Heimat wechselt und schon bald die Pfarreiengemeinschaft Pfronten-Nesselwang im Dekanat Marktoberdorf im Ostallgäu führen wird.

"Starnberg", sagt Jall, "war meine erste Liebe." Ja, es war seine erste Stelle als Kaplan. "Und zur ersten Stelle hat man eine besondere Beziehung", findet er. In Starnberg erwartet Jall die "ganze Bandbreite" des Lebens. Wie er das mit der Bandbreite meint, erläutert er an einem Beispiel: Als Kaplan hatte er mal eine Hochzeit auf dem Sterbebett bei sehr armen Leuten in der Stadt. Und dann gab es eine Taufe bei einem reichen Ehepaar, bei der einem am Seeufer ein Diener ein Sektglas in die Hand drückte. Solche eklatanten Gegensätzen erlebt man als Dorfpfarrer natürlich nicht.

Auch die Anzahl seiner Mitarbeiter ist in Starnberg größer. Hier hat er die Verantwortung für 50 bis 60 Leute - zu ihnen zählen unter anderen auch die Mitarbeiter der beiden katholischen Kindergärten, der eine in der Innenstadt und der andere in Perchting.

Und trotzdem: Der Abschied vom "Leben als Landpfarrer" in Westendorf nördlich von Augsburg ist Jall schwer gefallen. Denn die 3000 Gläubigen waren unglaublich aktiv. In den sieben Jahren dort gab es sehr viele Ehrenamtliche und allein 100 Ministranten. Kein Wunder, schließlich war Jall vor der Zeit in Westendorf drei Jahre lang Jugendpfarrer in Augsburg gewesen. Während seiner Westendorfer Zeit hat er auch noch seine Doktorarbeit geschrieben, die sich um die "Erfahrung von Offenbarung" dreht.

Jall stammt aus Zaisertshofen, einer Gemeinde mit 1000 Einwohnern bei Mindelheim. Seine Eltern sind beide Grundschullehrer. "Wir waren sechs Kinder", erzählt er. "Ein Bruder ist im Himmel, und wir fünf sind auf Erden." Er sagt das zwar leichthin, und doch hat er plötzlich einen bitteren Zug um den Mund. Ansonsten zählt Jall im Gespräch zu jenen Menschen, die gerne lachen. So entspannt kann nur ein Pfarrer wirken, der angekommen ist. Dabei war für ihn keineswegs klar, dass er überhaupt Pfarrer werden würde. Mit 17 oder 18 wollte er sogar aus der Kirche austreten, erzählt er. Nach dem Abitur am Maristenkolleg Mindelheim wollte er Bauingenieurwesen studieren.

Doch dann kam Afrika. Eine prägende Erfahrung für ihn. Er hat eineinhalb Jahre in einer Missionsschule am Victoriasee in Kenia gearbeitet. Der Victoriasee liegt im Dreiländereck Tansania, Uganda und Kenia in Ostafrika. Die Zeit dort ihn geerdet, ihm gezeigt, wie gut wir es in Europa haben und ihm vor Augen geführt, dass Menschen, auch wenn sie arm sind und nicht wissen, was das Morgen bringen wird, eine überschäumende Lebensfreude ausstrahlen können. "Das hat mich fasziniert", sagt er.

Als Jall dann aus Afrika zurückkam, hat er Theologie und Anglistik studiert - eigentlich fürs Lehramt am Gymnasium. Und obwohl Kirche für ihn stets etwas war, was es zu hinterfragen galt, hat er sich ihr schließlich doch angenähert. Jall fasziniert die "bekennende Kirche", in der einer für den anderen einsteht wie in Afrika. In Deutschland, so sagt er, "hat Kirche ein Problem und macht vielen das Glauben schwer". Für ihn ist es vor allem die Freude an der Gemeinschaft, die im Christentum zählt und einem Zuversicht gibt. Kein Wunder, dass Jall auch die Ökumene wichtig ist. Für ihn geht es mehr um das Gemeinsame als um das Trennende beider Konfessionen: "Wir müssen mehr eins sein."

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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