'Offenes Geheimnis':Zwischen Thriller und Melodram

Asghar Farhadis Film läuft fast so ab wie das alte Uhrwerk im Kirchturm dieses pittoresken spanischen Dorfs in der Nähe von Madrid. Die Räder greifen ineinander, es rasselt und surrt, ein Eisenstab setzt sich in Bewegung, und plötzlich hebt das Geläut der Glocken so laut an, dass Vögel fliehen und eine Taube hektisch flattert. In "Offenes Geheimnis" mit den Stars Penélope Cruz (Laura) und Javier Bardem (Paco) gibt es mehrmals großes Tamtam. Dass die 16-jährige Irene auf der Hochzeit von Lauras Schwester Ana entführt wird, kommt überraschend; dass Irene nicht die Tochter von Lauras Ehemann Alejandro ist, sondern das Kind ihrer Jugendliebe Paco, zeichnet sich lange vorher ab.

Der Krimiplot ist für den oscarprämierten iranischen Regisseur aber Nebensache. Er zeigt, wie die Ausnahmesituation diese schrecklich nette Familie ins Wanken und Flattern bringt. Sein Film dreht sich um Lügen und offene Rechnungen, Abgründe und Schuld, um das schleichende Gift der Unehrlichkeit. Farhadi legt falsche Fährten, sein Kameramann setzt auf immer auch symbolisch zu verstehende Bilder. Dass Paco, der Sohn vom Dienstboten, dem Patriarchen Antonio so unheimlich ähnlich sieht, ist sicher auch kein Zufall. All das macht dieses psychologische Rätselspiel spannend und auch sehenswert, doch Farhadis glänzende Schauspieler laufen nie so ganz zur Hochform auf. Letztlich bleibt "Offenes Geheimnis" bei aller Raffinesse auf halbem Weg zwischen Melodram und Thriller stecken.

© SZ vom 12.09.2018 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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