Oberpfaffenhofen:Ruag strebt nach Unabhängigkeit

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Der Schweizer Technologiekonzern baut in Oberpfaffenhofen Flugzeugkomponenten für die Airbus-Flotte. In Ungarn hat das Unternehmen ein weiteres Werk eröffnet und will mit Boeing ins Geschäft kommen

Von Wolfgang Prochaska, Oberpfaffenhofen

Alexander Toussaint,49, ist nicht der Managertyp, der mit seiner Meinung hinterm Berg hält. Der Chef des Bereichs Strukturbau beim Schweizer Technologiekonzern Ruag am Sonderflughafen Oberpfaffenhofen erläutert ganz offen die Überlegungen, die die Ruag veranlasst haben, im ungarischen Eger eine zusätzliche Produktionsstätte für Flugzeugteile zu gründen. "Die Kosten waren der Treiber", sagt er im Gespräch mit der SZ. Seit März wird in Eger produziert. Gleichzeitig galt es, auf die Wünsche von Airbus zu reagieren. Angesichts des Erfolgs der A 320-Familie braucht der Flugzeugkonzern mehr Teile, deren einzelne Baugruppen bei der Ruag gefertigt werden. "Es war uns klar, dass wir unsere Kapazität erhöhen müssen. Die Frage war nur: Bauen wir an oder gründen wir einen neuen Standort?", schildert Toussaint die damalige Situation. 54 Rumpfteile im Monat werden derzeit in Oberpfaffenhofen gefertigt und per Gigaliner nach Hamburg transportiert. Das Ziel von Airbus sind aber 60 Komponenten. Das sei zwar eine "sehr positive Entwicklung", andererseits gehe es auch um die Kosten an einem Hochlohn-Standort. Der Ruag-Manager, der an der Technischen Universität Maschinenbau mit Schwerpunkt Umformtechnik studiert hat, sah sich deshalb woanders um. Länder wie Rumänien, Polen und Türkei wurden als mögliche, zusätzliche Standorte geprüft - bis man sich für das ungarische Eger entschied, vor allem weil es dort gut ausgebildete Fachkräfte gibt.

Airbus lässt Teile seiner Flugzeuge bei der Ruag in Oberpfaffenhofen bauen. (Foto: Ruag)

Sechs Millionen Euro investierten die Schweizer in den Standort. 60 Mitarbeiter, die vorher in Oberpfaffenhofen trainiert wurden, arbeiten dort. 2018 sollen es schon 200 sein. Gefertigt wird alles, was arbeitsintensiv ist und in Oberpfaffenhofen nur sehr teuer zu produzieren wäre. Als "verlängerte Werkbank" für Oberpfaffenhofen bezeichnet Toussaint den Standort. Dass der Ungarn-Ausflug innerhalb der Belegschaft im Werk Oberpfaffenhofen Unruhe ausgelöst hat, räumt der Ruag-Manager offen ein. "Es gibt aber keine Kündigungen, wir fahren mit der jetzigen Mannschaft fort", betont er. 700 Techniker aus dem Flugzeugbau arbeiten am Sonderflughafen. Und es wird hier weiter investiert. Ende des Jahres, so kündigt Toussaint an, wird eine vierte Nietmaschine kommen, die wiederum die Produktionsmöglichkeiten erhöhen wird. Denn die Ruag liefert nicht nur für Airbus Komponenten, sondern auch für den kanadischen Flugzeugbauer Bombardier.

Alexander Toussaint ist der Strukturbau-Chef. (Foto: Falk Heller)

Hauptkunde ist mit 70 Prozent die Airbus Industries. "Diese Abhängigkeit gilt es auszubalancieren", sagt Toussaint. Was heißen soll: Man muss aufpassen, nicht ganz in die Abhängigkeit zu geraten, denn wenn schlechtere Zeiten aufziehen, braucht man noch andere Standbeine, um nicht nach unten gerissen zu werden. 1000 Einzelteile liefert die Ruag an Airbus. Diese Menge können die Schweizer nicht alleine stemmen, sondern haben sich ihrerseits Lieferanten gesucht. Für den Ruag-Strukturbau arbeitet eine eigene Lieferantengruppe, an deren weiteren Aufbau auch Toussaint beteiligt ist. "Es bedeutet für uns eine enorme Anstrengung, dies alles zu organisieren", sagt er, verhehlt aber nicht, dass diese "Global-Supply-Chain" einen zusätzlichen "Umsatz und Wachstumsschub" für die Ruag bringt. Man wird dadurch selber zum großen Mitspieler. "Es ist der einzige Schritt, um unsere Wettbewerbsfähigkeit abzusichern."

Produziert wird auch für den Flugzeugbauer Bombardier. (Foto: Lufthansa)

Dies zeigt aber auch, dass die Ruag noch größere Ziele hat. Man liebäugelt mit dem US-Markt. Mit Boeing ins Geschäft zu kommen, sei das Fernziel, sagt Toussaint. Man schaue sich gerade bei Unternehmen um, um die Zahl der Kunden zu erhöhen. Die Pläne und ihre Ausrichtung verdeutlichen, dass die Schweizer auf den zivilen Bereich setzen, was Toussaint betont. Wachstumsbereiche seien die Raumfahrt, der Strukturbau und Cybertechnologien. Überhaupt befindet sich das dem Schweizer Staat gehörende Unternehmen, das die Armee ausstattet, im Umbruch. Von einer Teilprivatisierung ist die Rede; das muss aber der Bundesrat in Bern entscheiden.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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