Neuveröffentlichung:Das Punk-Phänomen

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Aktiv & politisch: die gereiften Mitglieder der Punkband A+P, Jürgen Tonkel (zweiter von links) und die Brüder Florian, Philipp und Michael Pröttel (von links) bei Proben in einem Gartenhäuschen in der Nähe von Andechs. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Starnberger Band A+P, die mit ihrem Song "Dachau" einst einen Skandal auslöste, hat sich eigentlich 1985 aufgelöst. Trotzdem sind die Vier im reifen Mannesalter mit ihren zeitlosen Texten wieder auf Achse

Von Gerhard Summer, Starnberg

Sie rebellierten, wie vielleicht nur Jugendliche rebellieren können: gegen Spießerschweine und Faschisten, gegen Stumpfsinn, Maßlosigkeit, Gedankenkontrolle und Konsumirrsinn, gegen alles, was künstlich ist und falsch. "Wo ich geh und steh/ PVC", reimte Philipp Pröttel und sang mit seiner hohen, schön fies klingenden Stimme von künstlichem Leben und Plastik-Hirnen. Oder auch davon, wie schnell sich Mädchen von Kerlen blenden lassen, die im Cabriolet daherbrausen: "Ja, wer ein dickes Auto fährt / Mit dem wird sexuell schnell verkehrt."

Das vielleicht Erstaunlichste an diesen oft sarkastischen, manchmal ganz unverblümten und immer kunstvollen Zeilen ist, dass sie auch nach Jahrzehnten keinen Staub angesetzt haben. Denn die Typen und Phänomene, die eine der ersten deutschen Punkbands, die 1979 gegründete, unglaublich frühreife Starnberger Gruppe A+P, einst so wütend und mit ein paar Akkorden attackierte, gibt es heute noch. Der Sänger sagt es so: "Was mich schockiert: Du kannst die Texte fast 40 Jahre später noch verwenden, die musst nur ein paar Namen austauschen, aber die Probleme sind genau die gleichen, sie sind fast noch stärker geworden." Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, dass die eigentlich 1985 aufgelöste Formation um Philipp Pröttel, seine zwei Jahre jüngeren Brüder, die Zwillinge Michael (Bass) und Florian (Gitarre), und ihren Schlagzeuger Jürgen Tonkel aus Höhenrain immer noch irgendwie im Geschäft ist. Klar, der Frontman ist inzwischen 53 und promovierter Archäologe. Er arbeitet als Executive Producer bei einer TV-Produktionsfirma in München und kümmert sich um Musikshows wie den Echo. Michael Pröttel ist Alpinjournalist, Florian Pröttel Grundschullehrer und Jürgen Tonkel Schauspieler. Aber irgendwie sind die Herren extravagante Punker geblieben. 2004, 2006 und 2007 absolvierten sie wieder Auftritte. Und diesen Samstag gastieren A+P in Oberhausen bei Köln. Sie geben ein Release-Konzert, denn ihr Debütalbum, das 1980 auf Platz 5 der deutschen Albumcharts geklettert war, ist vom Label Plastic Bomb neu herausgegeben worden. Ob es 2017 auch ein Heimspiel geben wird? Immerhin trat die Gruppe 2016 bei einer Geburtstagsparty im Berger Marstall auf. Na ja, vielleicht, sagt Philipp Pröttel.

Konzerte der Band, die einst den "Sex Pistols" und den "Ramones" nacheiferte, viel in der Schweiz unterwegs war und jede Menge Fans aus dem Osten hat, sind nicht so ganz einfach zu planen. Sie können sogar im Chaos enden, was an einem weiteren Band-Kuriosum liegt: A+P gehören zu den Gruppen, die gerne missverstanden werden. Ihr Skandal-Song "Dachau" zog und zieht Hooligans und Rechtsextreme an. Und das, obwohl der Text glasklar ist ("Sie haben nichts gelernt diese Idioten/ Nicht mal von Millionen Toten"). Aber den Ewiggestrigen genügen manchmal eben ein paar Reizwörter.

Gut, ein paar andere Sachen, die wie schlimme Klischees klingen, sind sehr wohl wahr. Ja, Schlagerproduzent Ralph Siegel brachte ihre erste CD auf seinem Label Jupiter Records heraus, kastriert im Sound. Mehr oder minder, weil ihn Philipps Vater Dieter Pröttel, der Moderator des SWF-"Talentschuppens", gebeten hatte, sich seine Jungs anzuhören. Außerdem kommen die protegierten Rebellen aus dem verdammt reichen, verwöhnten Cabrio-Starnberg. Okay, was soll's?

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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