Neuer Trend:Der Boom der Elektroboote

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Die Zahl der elektrisch angetriebenen Boote auf dem Starnberger See steigt sprunghaft an. Aus gutem Grund: Für diese Boote ist weder eine Zulassung noch ein Führerschein vonnöten

Von Otto Fritscher, Starnberg

Wer im Sommer den Bootsverkehr auf dem Starnberger See beobachtet hat, der wird schnell festgestellt haben: Es sind viel mehr Elektroboote unterwegs als in früheren Jahren. Eine Beobachtung, die das Landratsamt mit Zahlen unterfüttern kann. Vor fünf Jahren gab es 984 Boote mit Elektromotor am See, zwei Jahre später waren es 1029. Und dann kam - von 2014 auf 2015 - ein nahezu sprunghafter Anstieg auf 1141 Elektroboote, im vergangenen Jahr waren es 1198, für heuer liegen noch keine aktuellen Zahlen vor. Man darf aber von mindestens 1250 E-Booten ausgehen.

Die Gründe des Booms liegen nach Ansicht von Experten auf der Hand: Zum einen begünstigt die steigende Zahl von Elektroautos auf den Straßen die Akzeptanz des elektrischen Antriebs auch auf dem Wasser. Die Vorteile sind klar: Sie fahren nahezu geräuschlos, sind emissionsfrei, und - das ist vielleicht der wichtigste Grund für die zunehmende Verbreitung - Elektroboote unterliegen keiner zahlenmäßig Beschränkung wie Boote mit Verbrennungsmotor. Denn maximal 250 Motorboote sind auf dem Starnberger See erlaubt. Die Wartefrist, bis ein Interessent dafür eine Lizenz bekommt, beträgt bis zu zehn Jahren. Außerdem braucht der E-Boot-Interessent keinen Führerschein und auch keine Zulassung und muss sich lediglich im Umweltreferat des Landratsamtes ein Kennzeichen zuteilen lassen. Das war's. Er kann losfahren - und je nach Motorisierung sogar losbrausen.

E-Boote haben sich durch die Weiterentwicklung der Antriebstechnologie zu einer salonfähigen Alternative entwickelt, wie Bootsbauer und Werftbesitzer Ernst Simmerding aus Leoni weiß. Allerdings hat sich Simmerding auf hochwertige und hochpreisige Elektroboote spezialisiert. Zurzeit wird beispielsweise in seiner Werft eine italienische Motoryacht hergerichtet und für Elektroantrieb umgebaut. Keine normale Yacht, sondern eine aus den 1950er Jahren, als Motorboote aus Mahagoni als Symbol für Luxus galten. "Das Ding hab' ich vor fünf Jahren gekauft, bei einer Probefahrt hier auf dem See sind wir halb abgesoffen", erzählt Simmerding. Dann war das Boot eingelagert, bis sich jetzt ein Interessent dafür gemeldet hat. Der muss tief in die Tasche greifen. Denn Restaurierung und Elektrifizierung schlagen mit rund 140 000 Euro zu Buch, allein 60 000 entfallen auf den Antrieb samt Akku.

In der Werft von Bootsbauer Ernst Simmerding in Leoni werden edle Boote restauriert und auf Elektrobetrieb umgestellt. Wer sich eines der exklusiven Stücke zulegen will, muss dafür so viel Geld wie für einen Luxus-Sportwagen hinlegen. (Foto: Nila Thiel)

"Die wollen alle schnell fahren", sagt Simmerding. Schnell mal von Leoni aus rüber über den See zum Tutzinger Nordbad oder zum Midgardhaus. Dort am Steg anlegen, einen Cappuccino trinken und wieder zurück cruisen. Glücklich, wer über ein Seegrundstück, einen Liegeplatz in einer Werft oder Marina verfügt, denn ein E-Boot zu slippen wie ein Segelboot - also mit dem Anhänger an eine der drei öffentlichen Slipanlagen am See zu fahren, das Boot ins Wasser bringen, Anhänger aufräumen und so weiter - das ist den meisten zu umständlich.

Für Christoph Ballin ist der Starnberger See nicht nur ein ideales Gewässer für Ausfahrten mit potenziellen Kunden, er dient ab und an auch als Testgewässer. Ballins Firma Torqeedo hat sich in den vergangenen Jahren zum Weltmarktführer bei elektrischen Bootsantrieben entwickelt. Angefangen hat das vor gut zehn Jahren im Starnberger Gewerbegebiet. Ballin hatte sich ein E-Boot angeschaut, und sein Kompagnon, ein Technikvorstand der Firma Gardena, sagte: "Das entspricht doch nicht dem Stand der Technik. Das machen wir selbst besser." So kam es, die Firma reüssierte mit ihren E-Motoren, wuchs und wuchs, und zog schließlich von Starnberg ins Gilchinger Gewerbegebiet um. Die Palette der Motorisierungen reicht von einfach zu montierenden Motoren für Segelboote oder auch Schlauchboote. Es gibt aber auch Varianten mit 80 PS. Die Energie stellen die neuesten Original-Akkus aus dem BMW i3 bereit. Mit solch einem Powerpack am Heck kann man 40 Stundenkilometer schnell sein, und vom Verdränger zum Gleiter werden, wie die Fachleute sagen. Bei der Gleitphase hebt sich der Bug des Bootes aus dem Wasser - dafür braucht es aber genügend PS. "Da kann man schon mal eine Stunde Vollgas brettern", hat Simmerding herausgefunden. Das reicht, um von Leoni nach Seeshaupt und zurückzukommen.

Christoph Ballin ist es aber wichtig, dass Kundschaft vom Starnberger See oder anderen Gewässern in Bayern nur ein ganz kleiner Teil seiner Klientel sind. "Wir haben unsere E-Antriebe ja nicht im Hinblick auf den Starnberger See entwickelt." Regulierte Gewässer seien für seine Firma kein großer Markt, sagt der Geschäftsführer, womit er eben Seen oder Flüsse meint, auf denen Motorboote verboten sind. Weltweit exportiert er die in Gilching montierten Aggregate an Kunden, die Wert auf Umweltverträglichkeit legen. Solche Menschen nimmt Ballin dann gern mit auf eine Testfahrt auf dem Starnberger See, wo er sein eigenes Boot liegen hat - natürlich mit der 80-PS-Topmotorisierung. "Der Starnberger See ist ein ideales Revier, nicht zu groß, nicht zu klein", sagt Ballin. Allerdings müsse sich eines noch verbessern: Es gebe zu wenig Ladestationen direkt am See, nur bei einigen wenigen Gasthäusern und Marinas.

Hannah Galloth bei Lackierarbeiten an einem italienischen Mahagoni-Boot aus den 1950er Jahren, das zum E-Boot umgerüstet wird. (Foto: Nila Thiel)

Die Verkehrsdichte auf dem Starnberger See nimmt also zu - was aber nicht allein an den E-Booten liegt. Hinzu kommen laut Landratsamts-Sprecherin Barbara Beck 2476 Segelboote, die ebenfalls ein STA-Kennzeichen am Bug haben müssen, wenn sie länger als 9,20 Meter sind, eine Koch- oder Sanitäreinheit oder einen Hilfsmotor haben. Kleinere Boote werden nicht erfasst. "Wenn jemand sein Segelboot verkauft, meldet er sich oft nicht bei uns vom Starnberger See ab; es gibt also eine gewisse Anzahl an Karteileichen", erklärt Beck.

Die Frage, ob die vielen E-Boote auch zu mehr Ärger und Schwierigkeiten auf dem See geführt hätten, verneint Beck. Etwas differenzierter äußert sich Polizeihauptkommissar Kai Motschmann, der auch bei der Starnberger Wasserschutzpolizei Dienst tut. "Eine Zunahme der Verstöße ist zu verzeichnen", stellt Motschmann fest. Meistens handele es sich jedoch um geringe Ordnungswidrigkeiten, die vom Landratsamt mit einer Geldbußen geahndet würden. "Insbesondere sind dies Verstöße gegen die Einhaltung des Mindestuferabstandes und das Befahren von Laichschongebieten", sagt der Polizeihauptkommissar. Es komme aber auch immer wieder zu Verstößen von E-Bootfahrern, die ihre Boote überhaupt nicht zulassen. Einige denken, wenn sie einen E-Motor an ihr Beiboot oder ein Schlauchboot anbringen, wäre dies erlaubnisfrei, was jedoch nicht der Fall ist. Sie brauchen ein Kennzeichen. Das gibt es in der Landratsamts-Abteilung Wasserrecht, die in Starnberg im Tutzinger Hof untergebracht ist.

Aber auch Motschmann will E-Boot-Interessenten nicht die Laune verderben: "Zu Problemen mit der hohen Anzahl kommt es nur an wenigen schönen Sommertagen, vor allem an Wochenenden, wenn alle auf dem See sind. Da jedoch schon mehrere tausend zulassungspflichtige Segelboote und nochmals mehrere tausend zulassungsfreie Segelboote bei uns herumschwimmen, hält sich das Mengenproblem der zunehmenden E-Boote noch in Grenzen", sagt der Polizist. Limitierender Faktor sei zusätzlich die geringe Zahl an Liegeplätzen.

© SZ vom 04.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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