Nepomuk:Kraillinger Hotspot

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Es ist leider so: Man schaut nur noch auf Smartphones. Wenigstens gemeinsam, zum Beispiel vor dem Rathaus

Von Euer Nepomuk

Ich will mich ja nicht beklagen, auch nicht jammern. Aber Lagerfeuerromantik, wilde Canyons, noch wildere Kerle, das ist alles verschwunden. Damit hat man in den 80er und 90er Jahren vielleicht Sehnsüchte geweckt. Kulturkritisch betrachtet ist es ein Verlust, auch wenn die Erinnerung vieles schönt. Heute herrscht die digitale Welt. Ich brauche nur durch die Straßen zu gehen: Allerorten sind die Leute tief über ihre Smartphones oder Tablets gebeugt, die einen zappen schnell über die neuesten Nachrichten, damit sie mitreden können, die anderen shoppen online schnell noch ein wenig, und wieder andere daddeln wie die Weltmeister, zum Beispiel wenn sie auf den Zug warten oder um sich auf dem Weg von A nach B nicht schrecklich zu langweilen. Miteinander ins Gespräch kommen ganz ohne Technik - analog, das war gestern. Cool ist das nur via Facebook, Twitter oder auf "Whatsapp". Klar, manchmal ist das schon ein bisschen einsam, wenn man so mit seinem Handy allein dasitzt. Aber zum Glück gibt's ja Pokémon. Beim Monsterjagen oder beim Kampf in der Arena trifft man immer wieder ein paar Mitspieler. Super Sache. Obwohl zu den Treffpunkten kommen auch immer weniger. Die große Pokémon-Zeit scheint schon fast wieder vorbei zu sein.

Aber in Krailling gibt's jetzt eine tolle Alternative, für alle, die sich beim Chatten, Spielen, Facebooken oder Shoppen einsam fühlen. Ein echtes "Come together", ein neuer Treffpunkt für die Freunde des Internets: das Rathaus. Gleich neben dem Eingang unter dem Vorsprung des oberen Stockwerks hocken bei Anbruch der Dunkelheit seit Neuestem immer ein paar zusammengekauerte Gestalten im Kiesbett. Nur der schwache Lichtschein der Displays verrät sie. Die meisten wohnen im 500 Meter entfernten Containerdorf für Flüchtlinge. Zwei Stunden können sie hier kostenlos das Wlan nutzen. Ein echt guter Service der Gemeinde. Gut, an der Willkommenskultur für ihre Gäste kann Krailling noch ein wenig arbeiten: Ein paar gemütliche Sitzkissen statt harter Steine, das wär schon fein. Ein großes Lagerfeuer wie in den 80ern ist nicht nötig, aber vielleicht ein bisschen was zum Knabbern. Dann gesellen sich möglicherweise auch noch ein paar Einheimische dazu, meine ich. Auch eine Form der Integration, die nicht zu unterschätzen ist, meint euer nepomuk

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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