Nazi-Gräuel:Nie vergessen

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Louis Sneh gehörte zu den Überlebenden des in Seeshaupt gestrandeten Todeszugs. Er war damals 17. (Foto: privat)

Statt Gedenkfeiern erinnern Plakate an die Todeszüge

Ende April 1945 schickten die Nazis Todeszüge los: Etwa 4000 Häftlinge des Dachauer KZ-Außenlagers Mühldorf-Mettenheim sollten in die gar nicht existierende "Alpenfestung" in Tirol gebracht werden, um sie vor den anrückenden alliierten Truppen zu verstecken. Fünf Tage dauerte die unmenschliche Irrfahrt durch Bayern, die Güter- und Viehwagons kamen in Poing, Bernried und schließlich in Staltach bei Iffeldorf, in Tutzing und Seeshaupt zum Stehen, wo amerikanische Soldaten die Häftlinge befreiten. Zu den Überlebenden gehörten Leslie Schwartz, Louis Sneh und Max Mannheimer, der im April 2008 auf dem Bernrieder Bahnhofsplatz ein Apfelbäumchen pflanzte - Symbol für eine friedliche Zukunft und Versöhnung.

Heuer jährt sich die grauenhafte Vertuschungsaktion der Nationalsozialisten zum 75. Mal, doch Gedenkfeiern in Seeshaupt oder Bernried sind wegen der Corona-Krise abgesagt. Um trotzdem die Erinnerung an die Gräuel zu Kriegsende wachzuhalten, hat die sogenannte Bahnhofsgruppe Bernried Plakate entworfen, die an markanten Stellen im Ort angebracht werden sollen. "Wir vergessen euch nie", steht darauf zu lesen, im Text sind die Stationen der Todeszüge und Mannheimers Pflanzaktion erwähnt. Obwohl es heuer kein Treffen gebe, könnten natürlich Erinnerungszeichen am Apfelbäumchen und am Bahnhof abgelegt werden, also beispielsweise Blumen oder Kerzen im Glas.

Der Filmemacher Walter Steffen hat 2010 die Geschichte des Todeszugs in "Endstation Seeshaupt" Revue passieren lassen. Die 98-minütige Doku war damals nur in bayerischen Kinos zu sehen, jetzt startet der Film bundesweit auf der Online-plattform Kino on Demand. Das Streamen kostet 7,99 Euro, davon gehen zwei Euro an derzeit geschlossene lokale Kinos. Der Seeshaupter Regisseur lässt in seiner Produktion Zeitzeugen wie Max Mannheimer und Luis Sneh zu Wort kommen, der noch einmal die damalige Strecke im Zug fährt und von Hunger, Leid und Tod in den Wagons berichtet. "Endstation Seeshaupt" ist mit dem Bürgerkulturpreis 2011 des Landkreises Weilheim-Schongau ausgezeichnet worden. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem nahm die Doku in ihr Archiv auf.

© SZ vom 24.04.2020 / sum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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