Naturschutz:Anwälte der Umwelt

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Der erste Gebietsbetreuer Bayerns hat 1997 seine Arbeit am Ammersee aufgenommen - heute gibt es 42. Sie vermitteln den Wert örtlicher Naturschätze und sind nun von den Vereinten Nationen ausgezeichnet worden

Von Armin Greune, Stegen

"Made in Starnberg" könnte unter dem Zertifikat und der Trophäe stehen, mit der die Vereinten Nationen (UN) nun die bayerische Gebietsbetreuung als Dekade-Projekt zur biologischen Vielfalt ausgezeichnet haben. Nicht nur die Idee ist im Fünfseenland entstanden, dort wurde sie auch erstmals umgesetzt. Und Christian Niederbichler, der sich von Stegen aus für Ammersee und Ampermoos einsetzt, ist heute mit 20 Jahren dienstältester Gebietsbetreuer im Freistaat. Das Konzept, die Stellen aus Mitteln des Bayerischen Naturschutzfonds zu fördern, hat sich als höchst erfolgreich erwiesen: Sechs Jahre nach dem Start am Ammersee wurde aus dem Pilotprojekt ein Regelfall, inzwischen sind bayernweit 42 Fachleute für 37 Schutzgebiete eingesetzt.

Ihre Aufgabe besteht weniger darin, als "Öko-Sheriffs" empfindliche Biotope vor Störungen zu schützen. Die Gebietsbetreuer sollen vor allem in der örtlichen Bevölkerung ein Bewusstsein für die Schätze der Natur schaffen. "Als wichtige Ansprechpartner vor Ort erfüllen sie durch ihr Engagement und ihren Sachverstand den Naturschutzgedanken mit Leben", sagte Christian Barth, Amtschef im Landesumweltministerium, bei der UN-Preisverleihung in Kottgeisering - denn auch das Ampermoos hat seinen Anteil an der Entstehungsgeschichte der Gebietsbetreuung.

Ausgangspunkt war 1996, dass Bundes- und Staatsregierung ihre Hausaufgaben nicht erledigt hatten. Zwar hatte Deutschland 20 Jahre zuvor die internationale Ramsar-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten aus dem Jahr 1971 unterzeichnet - "aber passiert war hierzulande nichts. Es lagen keine Zustandsberichte vor und es gab keine Schutzmaßnahmen - nur drei ehrenamtliche Wasservogelzähler für Starnberger, Ammer- und Chiemsee", erinnert sich Horst Guckelsberger. Der heutige Kreisvorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) war seinerzeit Schriftführer der Schutzgemeinschaft Ampermoos, die aus Privatleuten, LBV, Bund Naturschutz (BN) und der Schutzgemeinschaft Ammersee-Süd bestand. Der Vorsitzende Robert Volkmann und Guckelsberger reichten am 1. April 1996 einen Antrag ein, für den 70 Quadratkilometer großen Naturraum Ammerseeeinschließlich des Unterlaufs der Ammer und des Oberlaufs der Amper einen hauptamtlichen Ramsar-Gebietsbeauftragten einzustellen.

Die Breitbrunnerin Ruth Paulig, Grünen-Landtagsabgeordnete und seinerzeit Kreisvorsitzende im Bund Naturschutz, hatte die Idee, das ganze als Pilotprojekt anzupreisen, "um dem Projekt den Schrecken einer drohenden Daueraufgabe zu nehmen", erzählt Guckelsberger. Schneller als erwartet, bereits nach 4 Wochen lag die grundsätzliche Zustimmung der Politik vor. Doch bis dann Christian Niederbichler seinen Job antreten konnte, verging noch ein weiteres Jahr: Erst musste ja der Aufgabenbereich genau festgelegt werden, bevor nach einem geeigneten Bewerber gesucht werden konnte. Ihm sei da ja "eher ein Ranger nach US-amerikanischen Vorbild vorgeschwebt, der dort in Nationalparks im Auftrag des Staats mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist", räumt Guckelsberger heute lächelnd ein.

Thomas Goppel, damals bayerischer Umweltminister, hatte vorgeschlagen, die Stelle überwiegend aus Mitteln des Bayrischen Naturschutzfonds zu bezahlen, obwohl damit zuvor nur der Ankauf von Schutzgebieten finanziert worden war. Als für das Pilotprojekt Zweifel an der Kofinanzierung aufkamen, sprang der LBV ein, erinnert sich Guckelsberger. Folglich übernahm der LBV auch die Trägerschaft für Niederbichlers Stelle. Ebenso dann 2003 für die Betreuung des 60 Quadratkilometer großen Ramsar-Gebiets Starnberger See. Von 2008 bis 2014 war dort Franz Wimmer zuständig, seitdem hat Andrea Gehrold die Stelle inne, die aber nur noch halbtags bezahlt wird.

Wie bereits von 2002 bis 2008 ist Wimmer - neben seinen Aufgaben als LBV-Geschäftsführer und Biberberater - nun wieder Gebietsbetreuer für den Ammersee in Teilzeit und unterstützt dort Niederbichler an einem der fünf Wochentage. Für das Ampertal, 2003 in die Gebietsbetreuung aufgenommen, setzt sich seit einem Jahr Sebastian Böhm ein. Das Jonglieren mit Stellenplänen und Zeitverträgen erschwere oft die kontinuierliche Arbeit der Gebietsbetreuung, kritisiert Guckelsberger: "Die zeitlich sehr begrenzte Dauer der Verträge wirkt manchmal hemmend." Dennoch wünscht er sich, das in den Ramsar-Gebieten bewährte Erfolgsmodell auf weitere Schutzgebiete zu übertragen. Bedarf sieht er vor allem für die übrigen Flora-Fauna-Habitate und Vogelreservate im europaweiten Biotop-Verbund "Natura 2000: "Für ihre Betreuung fehlt es den Naturschutzbehörden an Mitarbeitern."

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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