Herrsching:Schafwolle für saubere Seen

Herrsching: Spüren, wie sich ein Naturhaarfilter anfühlt, will Maximilian Bleimaier (links), Vorstand der AWA Ammersee. Er diskutiert mit Frowin Puntsch (rechts), dem Gründer der Herrschinger Firma Frischwasser Tech, über das von ihm entwickelte Produkt.

Spüren, wie sich ein Naturhaarfilter anfühlt, will Maximilian Bleimaier (links), Vorstand der AWA Ammersee. Er diskutiert mit Frowin Puntsch (rechts), dem Gründer der Herrschinger Firma Frischwasser Tech, über das von ihm entwickelte Produkt.

(Foto: Arlet Ulfers)

90 Prozent weniger Schadstoffe in unseren Gewässern - und das mit Hilfe von Naturhaarfiltern aus Schafwolle. Frowin Puntsch, Gründer des Herrschinger Unternehmens "Frischwasser Tech", stellt seine Vision vor.

Von Luzi Power-Feitz, Herrsching

Auf einem Tisch in den Räumen der Ammersee Wasser- und Abwasserbetriebe (AWA Ammersee) steht eine kleine flache Glasschale, die bis zum Rand mit Wasser gefüllt ist. Frowin Puntsch gibt mit einer Pipette ein paar Tropfen Vespa Renn Öl in die klare Flüssigkeit. In das Wasser, auf dem jetzt ein grüner Film schwimmt, legt Puntsch einen kleinen Wollknoten. "Die Wolle zieht das Öl magnetisch an", sagt er und betrachtet zufrieden seinen Versuch.

Frowin Puntsch ist der Gründer von "Frischwasser Tech". Die Herrschinger Firma produziert Naturhaarfilter aus Schafwolle, die Schadstoffe aus Gewässern filtern - eine Weltneuheit. Die Idee dazu lieferte ihm ein Youtube-Video, das zeigte, wie die Einwohner von Mauritius einen Ölteppich bekämpften. "Die Idee der Inselbewohner war, allen die Haare abzuschneiden und diese in Damenstrumpfhosen zu stopfen", so Puntsch. Anhand einer "Strumpfhosen-Girlande" hätten die Bewohner den Ölteppich erfolgreich eindämmen können, erzählt er weiter. Fasziniert von dieser Idee, setzte er sich näher mit dem Thema auseinander und fand heraus, dass Tierhaare ebenso effektiv Schadstoffe binden wie Menschenhaare. "Der große Vorteil von Tierhaaren ist die leichtere Verarbeitung", erklärt der Gründer.

Nach wenigen Minuten beugen sich Maximilian Bleimaier, Vorstand der AWA Ammersee, und Frowin Puntsch über die kleine Glasschale. Und siehe da: Das Wasser ist wieder klar, der Woll-Knoten hat den Ölfilm adsorbiert. "Der Filter bindet das Öl sehr fest. Wenn ich versuchen würde das Öl wieder auszupressen, würde das nicht funktionieren", sagt Puntsch. Er nimmt den Knoten in die Hand und drückt ihn zusammen. Einige Tropfen klares Wasser tropfen zurück in die Schale.

Herrsching: Maximilian Bleimaier (links) und Frowin Puntsch beobachten, wie ein Naturhaarfilter verschmutztes Wasser reinigt.

Maximilian Bleimaier (links) und Frowin Puntsch beobachten, wie ein Naturhaarfilter verschmutztes Wasser reinigt.

(Foto: Arlet Ulfers)

Ob in Schwimmbädern, Redereien, Tankstellen oder Verkehrsflächen, die Einsatzmöglichkeiten der Filter sind vielfältig. Vergangenen Sommer habe ein Ferienclub in Apulien einen Naturhaarfilter in einem seiner Schwimmbecken eingesetzt und sich damit 160 Kilogramm an Chlorzusatz gespart, erzählt Frowin Puntsch stolz. Auch an der Bootsanlegestelle in Stegen seien einige der Filter im Einsatz gewesen. S-förmige Holzteile dienten hierbei nicht nur als Verbindungsstück zwischen den einzelnen Filtern, sondern auch als Auftriebshilfe. Wegen der Gefahr, dass die Schaufelräder der Dampfer sich in der Konstruktion verhaken könnten, musste sie jedoch wieder entfernt werden. Die Filter können Schadstoffe bis zum achtfachen Eigengewicht binden.

Maximilian Bleimaier war einer der ersten Abnehmer der Naturhaarfilter. "Die Zukunft der Filter liegt nicht im Schmutzwasser- sondern im Regenwasser-Bereich", antwortet er auf die Frage welches Einsatzgebiet der AWA Ammersee für die Naturhaarfilter vorschwebt. Während Schmutzwasser in die Kläranlage geleitet wird, wo es gereinigt wird, fließt das Regenwasser ungefiltert in die Seen ab. "Wenn ein Auto einen Ölunfall in der Nähe eines Regeneinlasses hat, fließen die Schadstoffe ungefiltert in den See. Da könnte man mit den Filtern natürlich Abhilfe schaffen", so Bleimaier.

Im gefilterten Wasser waren nur noch 13 der 2800 abfiltrierbaren Stoffe zu finden.

Die Naturhaarfilter sind 100 Prozent organisch und aus unbegrenzt nachwachsendem Rohstoff, erklärt Puntsch. Abhängig vom Einsatzgebiet, betrage die Lebensdauer der Filter zwischen zwölf und 18 Monaten. "Wenn der Filter permanent nass ist beginnt der Kompostierungsprozess nach sechs Monaten", so der Gründer. Noch lasse er die Filter durch Bekannte und eine Behindertenwerkstatt produzieren, aber Frowin Puntsch schaut zuversichtlich in die Zukunft.

Das liegt vor allem an den Laborwerten, die nach einer halbjährigen Testphase der Filter vorliegen. Das untersuchte ungefilterte Abwasser enthielt etwa 2800 abfiltrierbare Stoffe. Die Ergebnisse des Labors zeigen, dass im gefilterten Wasser nur noch 13 der 2800 abfiltrierbaren Stoffe zu finden waren. "Das ist eine Quote von mehr als 99 Prozent", erklärt Puntsch mit einem Lächeln. Von den anorganischen Stoffen, wie Blei, Zink und Kupfer, konnten etwa 90 Prozent herausgefiltert werden. Eine neue Studie der Universität Magdeburg zeige, dass Naturhaarfilter sogar Mikroplastik dauerhaft binden können, so Puntsch.

Abhängig von der Größe des Schafwolle-Filters kostet ein Exemplar zwischen 23 und 63 Euro.

Obwohl Puntsch schon viele Erfolge verzeichnen kann, kämpft er gegen eine große Herausforderung. "Viele Hochschulen tun sich schwer, daraus ein wissenschaftliches Projekt zu machen", sagt Bleimaier. Eine solch preiswerte und einfache Technologie, wie die von Frischwasser Tech, sei nicht im Sinne der Ingenieurbüros - schon gar nicht, wenn damit Maschinen oder Bauwerke erspart blieben. Abhängig von der Größe des Schafwolle-Filters kostet ein Exemplar zwischen 23 und 63 Euro. "Und genau das ist mein Problem", erklärt Puntsch. "Wenn ich ums Eck komme mit einer Lösung für 25 Euro, denken sich die meisten, das kann ja gar nicht funktionieren. Tut es aber."

Frowin Puntsch hofft auf einen Nachahmungseffekt. So wie es die AWA Ammersee und die Gemeinde Andechs bereits getan haben, sollen die restlichen Gemeinden im Landkreis die Naturhaarfilter ausprobieren. "Die kaufen ja nicht die Katze im Sack. Der Wirkungsgrad ist belegt", sagt der Unternehmer. Die Idee sei gut und brauche unbedingt Multiplikatoren, da ist sich Frowin Puntsch sicher.

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