Natur:Rettungsaktion für den Neuseeweiher

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Die Bernrieder wollen ihren Teich zurück. Seit zwei Jahren ist er abgelassen, galt er doch als mögliche Gefahrenquelle für nahe Häuser. Jetzt will man das Gewässer reaktivieren - schon wegen der Schwarzkrebse und der seltenen Teichmuschelarten

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Mitten im Wald fließt ein kleines Bächlein. Am Ufer blühen Blutweiderich, Wermut und Springkraut, bevor das Wasser in einem riesigen, grünen Schilf- Meer verschwindet. Nur ein alter Bootssteg erinnert noch daran, dass hier einmal ein idyllisches Gewässer war - der Neuseeweiher. Vor zwei Jahren musste das Wasser abgelassen werden. Das hat große Aufregung verursacht im Dorf Bernried. Die Gemeinderätin Christine Philipp und der Fischereiverein Weilheim, der den Weiher gepachtet hatte, versuchten zu retten was zu retten war. In einer beispielhaften Aktion, die ihresgleichen sucht, wurden tagelang in ehrenamtlicher Arbeit seltene Tier- und Fischarten eingesammelt und in andere Gewässer umgesiedelt. Nun soll der Weiher wieder reaktiviert werden.

Obwohl sich Bernrieds Bürgermeister Josef Steigenberger zuweilen über den "Amtsschimmel" ärgert, der das Aus für den Neuseeweiher bedeutet hatte, ist er jetzt optimistisch, dass dort wieder ein Teich entstehen kann. Damals war das Entsetzen groß, als der Weiher aufgegeben werden musste. Der Grund war eine Verordnung, die eine Sanierung des etwa 80 Meter langen Damms vorschrieb. Dadurch sollte ein Dammbruch verhindert werden, der bei Extremregenfällen womöglich Häuser gefährdet hätte. Diese Maßnahme ist in Wohngebieten durchaus angebracht. Doch im Fall des Neuseeweihers erschien sie Kommunalpolitikern und Naturschützern total sinnlos. Denn das ehemals 10 Hektar große Gewässer liegt mitten im Wald, weitab von jeder Bebauung. Auch die Kreisstraße ist ein Stück weit entfernt. Zudem hatte der Fischereiverein einen Überlaufkanal gebaut. Doch die "Wasserrahmenrichtlinien", wie sie im Amtsdeutsch heißen, nahmen darauf keine Rücksicht. Die vorgeschriebene Damm-Sanierung hätte rund 500 000 Euro gekostet.

So viel Geld konnten die Eigentümer nicht aufbringen, zumal es keine Zuschüsse dafür gegeben hätte. Sie entschlossen sich schweren Herzens den Weiher aufzugeben. Die damals nicht vorhersehbare Folge war, dass mit dem Neuseeweiher ein seltenes Naturparadies unwiederbringlich zerstört worden ist. Denn erst als das Wasser abgelassen wurde, stellte sich heraus, dass in dem abgelegenen Weiher seltene Teichmuschelarten und Schwarzkrebse sowie zahlreiche heimische Fischarten angesiedelt waren, und zwar in unvorstellbaren Mengen. Wie sich Bürgermeister Josef Steigenberger erinnert, hatte der Muschelbeauftragte der Universität München damals 4000 Teich- und 3000 Müllermuscheln gezählt. Die Rettungsaktion glich daher einer Sisyphos-Arbeit. Heute weiß man, dass die Behörden die Wassermenge des Gewässers mit 300 000 Kubikmeter viel zu hoch angesetzt hatten. Tatsächlich waren es nur 70 000 Kubikmeter. Dadurch sei auch die Gefährdung falsch berechnet worden, erklärt Steigenberger.

Die Gemeinde will nun den Weiher retten, indem sie ihn als ökologische Ausgleichsfläche eintragen lässt. Über eine entsprechende Dienstbarkeit wurde mit den Eigentümern bereits verhandelt. Wenn sich die Eigentümer verpflichten den Weiher nicht intensiv zu bewirtschaften, wird die Gemeinde laut Steigenberger im Gegenzug die Sanierungskosten übernehmen. Zunächst warte man den neuen Maßnahmenkatalog ab, in dem die damaligen Maximalforderungen zur Sanierung des Damms relativiert werden. Der Rathauschef ist überzeugt davon, dass die aktuellen Sanierungskosten nicht über den Kosten liegen werden, die die Gemeinde für den Erwerb einer landwirtschaftlichen Fläche zahlen müsste, um eine entsprechende Ausgleichsfläche zu schaffen. "Das ist eine echte Win-win-Situation", ist sich Steigenberger sicher. Bevor allerdings wieder Wasser in das Weiherbecken eingelassen werden kann, müssen noch einige Fragen geklärt werden, beispielsweise ob zuvor das Schilf entfernt werden muss oder welche Bäume im Dammbereich zu fällen sind. Auch welche Muscheln und Fische später eingesetzt werden sollen, muss von den zuständigen Behörden berechnet werden.

Zunächst soll das Wasser ohnehin nur teilweise angestaut werden. Doch auch das wird skeptisch beurteilt. "Hoffentlich überlebt das der Weiher", sagt Steigenberger. Auch Christine Philipp glaubt nicht, dass es genügt, lediglich Wasser einzulassen. Denn der Mikroorganismus von damals sei unwiederbringlich zerstört worden. "Es wäre schön, wenn man hier wieder einen Weiher sieht und nicht nur eine grüne Fläche", sagt sie. Aber - und darin ist sie sich mit dem Rathauschef einig - es werde auf jeden Fall Jahre dauern, bis dort wieder das Kleinod entsteht, das es bis vor zwei Jahren einmal war.

© SZ vom 23.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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