Nach Wohnungsbrand:Designerin im Exil

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Dagmar Schrade fertigt mit großem Aufwand Kostüme aus längst vergangenen Zeiten. Nach einem Wohnungsbrand wagt sie nun einen Neuanfang. (Foto: Arlet Ulfers)

Dagmar Schrade kann nach dem Brand ihrer Wohnung zwar teuere Seidenstoffe, fertige Kleider und Saris retten. Aber viele Materialien sind nicht mehr zu verwenden. Inzwischen hat sie Quartier in der Pension nebenan gefunden

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Dagmar Schrade liebt historische Kleider. Am liebsten schmökert sie in alten Fachbüchern über Modethemen und Trends aus längst vergangenen Zeiten. Bis vor kurzem füllten die Bücher mehrere Regale in ihrer Wohnung. Doch von einem Tag auf den anderen war alles anders. Im Februar hat es in dem Gebäude im Starnberger Achheim-Viertel, in dem sie wohnte und arbeitete, gebrannt. Vieles ist zerstört worden, ihre Bücher, Werkstatt, Möbel, Kleidung. Nun wagt sie einen Neuanfang.

Schrade lebt seit 16 Jahren in Starnberg. Seither ist die gelernte Modedesignerin, die in Halle und London studiert hat, selbstständig. Sie fertigt maßgeschneiderte Braut- und Abendkleider sowie Ballettkostüme an. Vor kurzem hat sie sich mit ihrer Begeisterung für historische Mode ein zweites berufliches Standbein aufgebaut. Sie stellt Kleidung aus längst vergangenen Zeiten her und verkauft sie auf historischen Märkten. Jedes Kleidungsstück wird individuell nach den damaligen Modetrends entworfen und mit hohem Aufwand gefertigt, teilweise sogar mit der Hand genäht. "Vieles geht mit der Maschine nicht", sagt sie, beispielsweise das Einarbeiten von Stäbchen oder bestimmte Feinarbeiten. Bis historische Kostüme gefertigt werden können, sind aufwendige Vorarbeiten nötig. Die Auswahl des Materials, der Stoffe, die Art, wie das Stück getragen wird, muss genau rekonstruiert werden, damit das fertige Produkt authentisch ist. Schrade besucht regelmäßig Museen, um sich Originalgewänder anzusehen. Doch die meiste Zeit recherchierte sie in Fachbüchern, zumindest bis zum 13. Februar.

Damals klingelte mitten in der Nacht ein Nachbar und warnte sie vor dem Feuer. Zusammen mit ihrer 16-jährigen Tochter stürmte sie aus dem Haus, nur mit den Sachen, die sie am Leib trug. "Ich habe das Handy mitgenommen und sonst nichts", erinnert sie sich. Die Feuerwehrleute haben ihr später noch ihre Handtasche gebracht und ihren Laptop. Das Gebäude durfte tagelang nicht betreten werden wegen Einsturzgefahr. Als sie endlich in ihre Wohnung konnte, traf sie der Schock. Es war zwar nichts verbrannt, aber das Löschwasser hatte vieles zerstört.

Schrade hat aber auch Glück. Agnes Schlicht, Inhaberin der benachbarten Pension Happach, bietet ihr spontan einen Raum an, in dem sie übergangsweise ihre Werkstatt unterbringen kann. Dort versucht sie nun die Restbestände zu sichten, die sie aus ihrer ehemaligen Wohnung retten konnte, die teuren Seidenstoffe und fertiggestellte Kleider. Der Brandgeruch ist jedoch noch immer so unerträglich, dass viele Materialien nicht mehr verwendet werden können. Die indischen Saris, die sie zu historischen Kleidern verarbeitet, konnte sie Gott sei Dank waschen. Auch ihre Sammlung an historischen Kurzwaren und Knöpfen war in Kisten untergebracht, die das Löschwasser abhielten. Am härtesten trifft Schade aber, dass sich ihre Fachbücher im Wasser aufgelöst haben und teilweise verschimmelt sind. Die antiquarischen Werke sind unersetzlich. Ihre Lieblingsbücher hat die Modedesignerin dennoch mitgenommen. Nun versucht sie, sie zu trocknen und die Seiten dann zu kopieren. Schade lässt den Kopf trotzdem nicht hängen. Sie blickt nach vorne und hofft, dass ihr die Pension Happach noch so lange Unterschlupf gewährt, bis sie Ersatzräume gefunden hat. Die Modedesignerin will auch künftig historische Gewänder entwerfen und sie zusammen mit antiken Kurzwaren auf Märkten oder im Internet verkaufen. "Ich muss mir überlegen, wie es weitergeht. Es ist ein Wendepunkt", sagt sie.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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