Nach einer langen Reise:Stegener Schiffshochzeit

Lesezeit: 4 min

Die neue MS Utting, die die weißblaue Flotte auf dem Ammersee ergänzt, ist angekommen - in zwei Teilen. Im Hafen erst montieren Arbeiter Rumpf und Deck unter den Augen vieler Schaulustiger zusammen.

Von Astrid Becker, Stegen

Die Hochzeit ist recht ungewöhnlich, dafür wird diese Ehe wohl bis zum Tod beider Partner halten: Es ist ein treffendes Bild, das der Schifffahrtskapitän Helmut Diller für das wählt, was sich am Mittwochvormittag in der Werft in Stegen abspielt. Zwei riesige Kräne stehen dort schon seit dem Vortag, angeliefert aus Gräfelfing auf mehreren Lkws. Ihre Aufgabe ist die des Standesbeamten. Sie sollen zwei Teile zusammenfügen, die buchstäblich füreinander geschaffen wurden: Rumpf und Aufbau der neuen MS Utting.

Eine recht unruhige Nacht haben hier viele der Männer verbracht, die in dieses doch recht besondere Ereignis in ihrem Berufsleben involviert sind. Michael Grießer, der Chef der Bayerischen Seenschifffahrt ist einer von ihnen. Besonders gut geschlafen habe er nicht, erzählt er. Zumindest nicht bis zur erlösenden Mail, die ihn gegen halb zwei morgens erreichte. Die Utting sei gut angekommen, hieß es dort. Immerhin hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Autobahn verlassen. Der Leiter der Verkehrspolizei Fürstenfeldbruck, Thomas Totzauer, weiß dies ganz genau. Er war auf polizeilicher Seite für den Transport verantwortlich und hat ihn auch persönlich begleitet, zumindest den Landweg.

Die Reise der MS Utting an den Ammersee dauert fast zwei Wochen

Denn ihre weite Fahrt von der Lux-Werft in Niederkassel, wo das Schiff seit Mai des vergangenen Jahres gebaut worden war, hatte die Utting bereits am 31. März angetreten - zunächst auf dem Wasser. Zusammengeschraubt waren die beiden Teile damals noch, gewissermaßen also verlobt. Von zwei anderen Booten geschoben und gezogen wurden sie über den Rhein, über den Main, über den Main-Donau-Kanal bis nach Roth, wo die Utting am vergangenen Samstag eintraf.

Dort wurde sie aus dem Wasser gehoben, wieder in Rumpf und Aufbau zerlegt und auf Schwertransporter in Überlänge gehievt. Allein der Rumpf wurde auf einem Laster mit 160 Spezialrädern transportiert. Das allerdings ist auch kein Wunder: Der jüngste Spross der bayerischen Flotte im Fünfseenland ist immerhin fast 51 Meter lang und 9,60 Meter breit. Deshalb durfte die Utting auch nur nachts reisen, am Montagabend ging die Fahrt dann los - bis sie wohlbehalten schließlich gegen drei Uhr vor der Werft platziert werden konnte. Drei Männer haben sie dort bewacht: Florian Schmid, Anton Müller und Betriebsleiter Harald Lugmair.

Schaulustige beobachten das Spektakel

Am nächsten Morgen sehen sie nicht so aus, als ob sie ein Auge zugebracht hätten in dieser Nacht. Trotzdem: Das Adrenalin hält sie wach, niemand mag sich hier die Hochzeit der Utting entgehen lassen. Stephan Schmidbauer, der Chef der eigens dafür engagierten Gräfelfinger Kranfirma, wirkt dabei wie der Zeremonienmeister. Er gibt Kommandos über ein kleines Funkgerät und spricht schon mal mit den Gästen, respektive den Schaulustigen, die vom Dampfersteg aus das Geschehen beobachten.

Kapitän Helmut Diller
:Der bayerische Entertainer

Seit fast 30 Jahren ist der Echinger Helmut Diller nun schon Kapitän bei der Bayerischen Seenschifffahrt auf dem Ammersee. Er kennt das Gewässer ganz genau - und ist sich sicher, niemals ein anderes befahren zu wollen

Von Astrid Becker

Tatsächlich sind es rund 100 Menschen, darunter auch einige Kinder, die sich mal auf Verdacht und doch pünktlich hier eingefunden haben. Denn um welche Uhrzeit das Spektakel seinen Höhepunkt - den Moment, in dem die Utting zum ersten Mal die Wasseroberfläche des Ammersees berührt - finden würde, konnte niemand im Vorfeld genau sagen. "Je nachdem ,wann die Utting des Verkehrs wegen ankommt", hieß es noch am Dienstag aus de r Werft, am Mittwoch oder, im Notfall erst am Donnerstag.

Doch alles verläuft nach Plan. Bereits kurz nach acht Uhr morgens wird das Schiff auf die Hebeaktion vorbereitet. Es wird geschweißt, die Funken fliegen. Jeweils vier starke Stahlseile werden vorne und hinten am Rumpf der Utting befestigt. Zu diesem Zeitpunkt steht sie direkt vor der Werft. Ein Anblick, der seltsam anmutet, vor allem, weil dort einige Bäume stehen, an denen die Utting irgendwie vorbei muss, ohne beschädigt zu werden. Es dauert daher geraume Zeit, bis der Rumpf in die richtige Position geschoben wird, um dann angehoben werden zu können. Und dann, ganz plötzlich: "Ein Zeppelin", sagt einer der Beobachter recht treffend. Denn der Rumpf wird nicht einfach so ins Wasser gehoben, nein, er schwebt. Er fliegt sogar - wenngleich im Schneckentempo - direkt an den Bäumen vorbei in Richtung Hafenbecken, direkt auf den Platz zu, an dem normalerweise die Herrsching parkt.

Ganz langsam sinkt er in Richtung Wasseroberfläche. Ein wenig ist es wie ein sanfter, lautloser Kuss, als er zum ersten Mal auf den Ammersee trifft. Schiffshupen begrüßen diese erste Begegnung, die Menschen goutieren sie mit Applaus. Dabei steht der große Moment erst noch bevor, wenn auf den Rumpf der Aufbau aufgesetzt wird. Punktgenau muss das sein. Millimeterarbeit heißt das für die Kranführer. Knapp 20 Minuten lang schwebt der Aufbau über dem Rumpf, nur wenige Zentimeter darüber. Arbeiter turnen noch herum, wie Burger zwischen zwei Brötchenhälften oder wie kleine Fischchen im Maul eines großen Meeressäugers. Ein wenig gefährlich sieht das aus. Und dann senkt er sich herab, der Aufbau auf den Rumpf. Kurz nach 13 Uhr ist es mittlerweile geworden.

Die Arbeit an der Utting ist damit jedoch noch nicht beendet. Die beiden Teile werden noch verschraubt, so sehr, bis sie sich stabil ineinander fügen. In den nächsten Tagen wird das Schiff dann mit reiner Muskelkraft vom Hafendecken ins Trockendock geschoben, wo dann der Innenausbau erfolgen soll. Geschoben wird sie manuell, weil die beiden Motoren noch nicht betriebsbereit sind. Zehn Männer werden sie mit Stangen, sogenannten Sicheln, in Bewegung setzen. 250 Tonnen.

Einer der Männer, die diese Arbeit verrichten werden, ist Helmut Diller. Der Schifffahrtskapitän, dessen Augen strahlen, wenn er auf die Utting blickt. Ob er sich darauf freut, sie zu fahren? "Das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe", sagt er nur. Und eine, mit der sich wohl alle Schiffsführer auf dem See noch vertraut machen müssen. Denn die Utting ist "Hightech" - auch weil sie das erste Schiff mit Aufzug ist. Und mit Rutschen für die Kinder. Doch all das ist derzeit noch nicht zu sehen. Erst im Juli, wenn die Utting große Fahrt aufnimmt. Oder, wenn man so will, ihre Hochzeit feiert. Ganz offiziell.

Stegen: Ankunft neue MS Utting Stegen: Ankunft neue MS Utting Foto: Nila Thiel (Foto: Nila Thiel)
© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: