Musik:Und der Mond schaut zu

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Band an Bord: Martin Scales (Gitarre), Patrick Scales (Bass), André Schwager (Keyboard), James Morton (Saxophon) und Giudo May (Schlagzeug, nicht im Bild). (Foto: Georgine Treybal)

Die "Groove Extravaganza Band" begeistert beim 7. Seejazz-Festival in Tutzing

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Es war schon spektakulär, wie sich der riesige Vollmond zunächst auf den Berg wälzte und dann allmählich in die Höhe entschwebte und dabei einen strahlend silbrigen Lichtteppich zum Museumsschiff Tutzing ausrollte. Da gingen beim Konzert des 7. Seejazz-Festivals einige Hände in die Höhe, mit all den Geräten, die heutzutage jeder so mit sich schleppt: Smartphones, Kameras, Tablets. Kurzzeitig eine harte Konkurrenz zum Bühnengeschehen, aber das Ambiente gehört schließlich zum Festival dazu. Die heraufbeschworene laue Sommernacht war dann aber eher recht frisch, doch wenn es jemanden fror, dann lag es ganz sicher nicht an der Band. Die Groove Extravaganza Band um den Schlagzeuger Guido May kann ein mächtiges Feuer entfachen. Dahingehend spricht alleine schon die Besetzung Bände. Die drei Musiker, die in der Band des Starsaxophonisten und -komponisten Pee Wee Willis getourt haben, May sowie die Brüder Martin (Gitarre) und Patrick (Bass) Scales - letztere gehören zur aktuellen Besetzung von Doldingers Passport - sind ein eingespieltes Trüppchen. Sozusagen der gewaltig Motor der Band, der natürlich auch singen, grooven, virtuos abheben, bisweilen aber auch mit viel Fingerspitzengefühl minimalistische Klangarbeit leisten kann. Mit diesen Musikern könne er jede Art von Musik spielen, sagte May, und es werde immer großartig.

Die Band bewies nicht nur die Richtigkeit dieser Worte, sondern wurde auch der Extravaganz im Bandnamen voll und ganz gerecht. Hier war nichts von der Stange, alles saß dennoch routiniert sicher und im Zugriff absolut homogen, was nicht zuletzt dem Umstand geschuldet ist, dass die drei auch auf die beiden anderen Musiker der Band in der einen oder anderen Formation immer wieder treffen und alle möglichen Gattungen und Genres erproben. Der Tastenvirtuose André Schwager zeigte sich zudem als ein experimentierfreudiger Klangbildner, der an Deck der Tutzing auch Freude am Synthesizer fand und sich durch alle möglichen, bisweilen exotischen Sounds durchspielte. Ebenso der Saxophonist aus Bristol, James Morton, forderte gerne heraus. Im Duell mit Schwager gab es mit der Zugabe einen packenden Abgang.

Der gemeinsame Nenner der fünf Musiker war sehr breit gelagert, fokussierte hier aber Funk und Soul, dennoch in sehr wandelbaren Varianten. James Mortons "Gospel" mit Schwagers Hammond-Sound ging weit zu den Wurzeln zurück, war aber auch Anlass, in eine Rockballade mit Gänsehauteffekt zu changieren. Mit einem Song von Partick Scales ging es indes mit "Uma noite em Bahia", später auch mit "Estate" von Bruno Martino, dessen Schlager João Gilberto auf ein höheres Level zu hieven gelang, in die Latin-Variante. Und das bedeutete ein melodiöses Sinnieren, melancholische Atmosphäre und viel Seele. Funk ist sehr vielfältig spielbar und mit seinen schmissigen Spieltechniken schon an sich ein breiter musikalischer Kosmos, dessen weiter Raum hier zweifelsohne spürbar wurde. Immer wieder mit Titeln von Pee Wee Ellis, so etwa mustergültig mit "It's a funky Thing to do" oder als Lockerungsübung zur Eröffnung mit "Ham". Einen wunderbar entspannt lässigen Funk schuf Martin Scales mit "D88", den die Band für ein variationsreiches Warm-up nutzte, um nach der Pause die Gemüter bis zum großen Finale noch ordentlich zu erhitzen.

Nach den Latin-Nummern und reichlich Funk sollte die afrikanische Variante ein ekstatischer Höhepunkt werden. "Din don dan" heißt die Nummer, die offenbar aus der Zusammenarbeit mit dem Passport-Perkussionisten Biboul Darouiche zustande kam. Und das bedeutete in erster Linie einen großen Auftritt für den Kopf der Extravaganza-Band Guido May, der einleitend ausgiebig die klangvollen Trommeln sprechen ließ. Auch in der Motivik griffen die vier Mitspieler das melodiöse Element der afrikanischen Musik auf, steigerten sich daher eher zur rockigen Intensität, dabei allerdings weiterhin mit eindringlich-repetitiven Motiven. Monotone Wiederholungen sind die Tür für das Oberbewusstsein, was hier nicht in Trance endete, aber doch in einer handfesten Euphorie beim Publikum.

© SZ vom 16.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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