Musik:Reizvoller Auftakt

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Julia Fischer tritt als Gastgeberin der Musikferien auf. (Foto: Georgine Treybal)

Konzert mit Julia Fischer begeistert

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Es wäre ein wunderbares Programm für ein Hauskonzert gewesen. Zumindest die doch recht intimen Werke von Tschaikowsky, Grieg und Dvořák. Doch schon das Publikum aus dem Umkreis der Musikferien Starnberger See, die mit diesem Kammermusikkonzert eröffnet wurden, hätte jeden häuslichen Rahmen gesprengt. Wenn Julia Fischer spielt - hier als Gastgeberin der Musikferien -, füllt sich selbst die Starnberger Schlossberghalle bis auf den allerletzten Platz.

Ein Rahmen also, der ein allzu feinsinniges Gestalten der Gefahr ausgesetzt hätte, im Raum unterzugehen. Beherzt und klangsatt zur Sache zu gehen, war daher der sinnvollere Weg, das Publikum mitzureißen, zumal der elegische Grundton die füllige Substanz schon gut vertrug. Dass Max Bruchs Oktett für vier Violinen, zwei Violen, Violoncello und Kontrabass im großen Finale dabei zwar orchestral, dennoch nicht schwerfällig und massiv daher kam, verdankte es der Schlankheitskur der tiefen Streicher. Anja Lechner, die einst Gründungsmitglied des großartigen Rosamunde Quartetts war, versteht es mit Leichtigkeit, ihr Cello kammermusikalisch einfühlsam einzubringen. Und dem stand der aus Panama stammende Kontrabassist Juan Sebastián Ruiz in nichts nach. So konnten die Rahmensätze in sinfonischer Weise spielfreudig beherzt und in entsprechender Klangfülle, aber auch in schönfarbiger Musikalität erklingen. Die Tektonik samt ausgeprägter Pointierung blieb solide, insbesondere in der Verdichtung wuchtiger Passagen. Allesamt Gestaltungselemente, die in allen Werken des Abends für Höhepunkte sorgten, ging es vor allem bei Grieg und Dvořák doch um national gefärbte Kompositionen, die ihren Reiz aus musikantischer Intensität schöpfen.

Tschaikowskys "Souvenir d'un lieu cher" (Erinnerung an einen liebgewonnenen Ort) op. 42, das Fischer (Violine) und der Pianist Henri Bonamy in einer überaus schlüssigen Dramaturgie durchgehend in Spannung hielten, offenbarte trotz konzertanter Anlage eine intimere Leidenschaft. Das Changieren zwischen Empfindsamkeit und feurigem Temperament wühlte schon ordentlich auf, gab sich aber im sanft mäandernden Gesang der abschließenden "Mélodie" versöhnlich und berührend.

Auch die folkloristisch grundierten Werke verzichteten nicht auf Seelentiefe im Ausdruck intimer Gefühle. Das Gestaltungsspektrum weitete sich dadurch, gerade in Griegs Sonate op. 13 in G-Dur, die mit dem Lento doloroso dem Werk sogar eine Leidensgeste voranstellt. Aber es ist eine bis ins Schmerzhafte gesteigerte Glückseligkeit, schrieb Grieg doch das Werk "im Hochgefühl meiner Flitterwochen". Die Freudigkeit brach denn auch bald wirkungsvoll aus. Fischer und Bonamy zeigten sich im Duo ebenso in der Wendigkeit homogen und zauberten schöne Überraschungsmomente. Adäquat in der Großform, schaukelte sich doch das zarte Sinnieren des Mittelsatzes allmählich mit steigender Leidenschaft, von kapriziöser Leichtigkeit und musikantischer Wucht unterbrochen, zu einem pompösen Werkfinale hoch.

Dvořáks Bagatellen op. 47 offenbarten ihre Volkstümlichkeit eher in ihrem Legendenton. Mit Lena Neudauer an der zweiten Violine, Fischer, Lechner und Bonamy kam auch ein schönfarbiger Klangkörper zustande, der die ursprüngliche Idee des Komponisten, statt des Klaviers ein Harmonium einzusetzen, durchaus im Ohr behielt. Der Klang dunkelte sich ab, die Rhythmisierung blieb an entsprechenden Stellen weich, der Duktus bisweilen adäquat motorisch. Die Charakteristik schöpfte daraus einen geheimnisvollen Unterton, der allmählich lichter wurde und nach einem luftigen Canon schließlich einen energischen Schlusssatz erlaubte. Unterstützt von den herausragenden jungen Musikern Severin van Schmid und Valerie Steenken (Violine) sowie Lorenz Chen und Louis Vandory (Viola) stellte Bruchs Oktett schließlich einen symphonischen Höhenflug dar, der insbesondere im langsamen Mittelsatz mit farbschön changierender Klangfarbenbalance überzeugte. Goutiert wurde die Leistung der Musiker in diesem Konzert mit lang anhaltenden Ovationen.

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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