Musik:Gewaltiges Feuerwerk

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Die Chorgemeinschaft St. Pius Pöcking hatte zum Herbstkonzert geladen - und viele kamen. (Foto: Georgine Treybal)

Chöre, Solisten und Orchester lassen die St.-Pius-Kirche beim Herbstkonzert erbeben

Von Reinhard Palmer, Pöcking

In Anbetracht der nachfolgenden Werke machte sich die Messe C-Dur D 452 (op. 48) vom erst 19-jährigen Schubert geradezu bescheiden aus, obgleich der Komponist darin im jugendlichen Übermut schon ordentlich viele Register zog. Der Ars Musica Chor Ottobrunn und die Chorgemeinschaft St Pius Pöcking hatten jedenfalls reichlich Möglichkeiten, ihre satte Substanz zu demonstrieren, etwa im hymnischen Gloria, streckenweise im Credo oder im feierlich wogenden Finale zum Schluss des Agnus Dei. Das Klangbild hatte durchaus noch Barockes an sich, gerade das Kyrie mit seinem festlichen Charakter und einem strahlenden Solistenquartett, das mit Yvonne Steiner (Sopran), Cornelia Lanz (Mezzosopran), Markus Herzog (Tenor) und Nikolai Ardey (Bass) zu einem klangschön ausbalancierten homogenen Klangkörper zusammenwuchs. Das Kammerorchester Stringendo Pöcking bekam Verstärkung von Mitgliedern des AirBus Orchesters München, sodass am Ende ein beachtliches Symphonieorchester die voll besetzte St.-Pius-Kirche erbeben ließ.

Bei Schubert waren aber zunächst bescheidenere Dimensionen im Einsatz. Es ging um Klangreiz und Atmosphäre, die künstlerischer Leiter Norbert Groh auch in den leisen, zurückgenommenen Passagen noch mit klingender Substanz und Transparenz zu formen vermochte. Sorgfältig einstudiert, konnte sich Groh auf den musikalischen Ausdruck konzentrieren. So etwa auf die stimmungsvolle Getragenheit im Sanctus, das sich schönfarbig und beschwingt aufhellte. Oder auf das melancholische Wogen im Benedictus, das indes zu Verdunkelungen mit einer Prise Dramatik führte. Ein sensibles Changieren, das Bernstein - hier aus Anlass seines 100. Geburtstags - zumindest zu Beginn so gar nicht im Sinne hatte. Seine "Chichester Psalms" platzten ohne Vorwarnung mit donnerndem Schlagwerk rein. Tatsächlich ist die Harmonik stark von Dissonanzen durchsetzt: Eine große Herausforderung für die Laienchöre, die sie mit Einfühlsamkeit und bewundernswerter Treffsicherheit meisterten. Mit Christian Jellema und Jakob Fiedler konnte Groh auf zwei junge Solisten zurückgreifen, die Mitglieder des preisgekrönten Wolfratshauser Kinderchores von Yoshihisa Matthias Kinoshita sind. So gelang auch sicher die besondere Atmosphäre, die immer wieder von scharf geschnittener Rhythmik brüsk aber präzis unterbrochen wurde oder sich mit dramatischer Symphonik zu gewaltigen Klangmassen zusammenballte. Entscheidend dabei: Grohs dramaturgische Vorstellung blieb bis zum letzten Ton deutlich exponiert und überzeugte im Kontext zu den tonmalerischen Ausprägungen der einzelnen Szenen.

Die großen Momente bei Bernstein beeindruckten bereits mit imposanter Substanz, sollten bei Bruckner aber noch eine Steigerung erfahren. Dessen "Te Deum" gehört zu den bedeutendsten Werken der sakralen Musik überhaupt. Im Grunde gibt der hierin vertonte Anfang des so genannten Ambrosianischen Lobgesangs nicht unbedingt Anlass dafür, was Bruckner daraus machte. Ebenso wenig die Bestimmung innerhalb der römisch-katholischen Liturgie. Nur gelegentlich wird dieses "Te Deum" als feierliche Danksagung an Festtagen in seiner überwältigenden, hymnischen Größe legitimiert. Als konzertante Musik, durchsetzt vom kultivierten Solistenquartett mit fließend führender Tenor-Partie, schwang sich der Orchester- und Chorsatz zu beeindruckender Symphonik empor. Wie bei Bernstein war auch hier die Gesamtdramaturgie von großer Bedeutung für die Erschließung des Werkes. Hierin punktete Groh einmal mehr und spannte einen weiten Bogen, der am Ende geradezu folgerichtig in einem gewaltigen Feuerwerkfinale mit maximaler Klangsubstanz seine Erfüllung finden sollte. Das Publikum: begeistert.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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