Musik:Aufgedreht

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Die Gautinger Bluesnacht mit "Sugar Ray & The Bluetones" und Robert Ramischs Band

Von Gerhard Summer, Gauting

Die Herren haben die Ruhe weg: Bevor Pianist Ludwig Seuss, zugleich Organisator dieser dritten Bluesnacht im vollbesetzten Gautinger Bosco, mit Robert Ramischs Truppe loslegt, spricht er noch über die Hauptband. Sugar Ray & The Bluetones seien schon seit 40 Jahren im Geschäft, sagt Seuss, also eine Legende. Und, ach ja: Die Musiker hätten sich noch zu einem Nickerchen im Hotel niedergelegt. Als Ray Norcia und seine Mannen eine gute halbe Stunde später auf der Bühne stehen, ist schon nach ein paar Sekunden klar: Ja, die Ramisch-Band aus dem Würmtal versteht ihr Handwerk, aber die Routiniers aus den USA kommen aus einer anderen Liga.

Das hat vor allem mit der unglaublich groovenden Rhythmusgruppe zu tun: Der Kaugummi kauende Schlagzeuger Neil Gouvin schaut so regungslos drein, als ginge er im Kopf die Einkaufsliste für morgen durch. Michael "Mudcat" Ward hat den E-Bass fast auf Kniehöhe hängen; wenn er zum Kontrabass wechselt, sieht er aus wie ein Tankwart, der an der Zapfsäule lehnt.

Aber der Eindruck der Unbeteiligtheit täuscht: Die beiden spielen zwar gelassen, aber so hochpräzise, als schnitten sie die Takte mit dem Skalpell heraus. Hinzu kommt, dass Sugar Ray Norcia ein mit allen Wassern gewaschener, sehr melodischer Harpspieler und ausdrucksstarker Sänger ist; seine warme, samtig schmeichelnde Stimme erinnert im Tonfall zuweilen an John Hiatt. Das Ganze hat nur einen großen Haken: Von den Feinheiten dieser Wahnsinnstruppe ist aber kaum was zu hören, weil Gitarrist Little Charlie Baty seinen Verstärker so gewaltig aufgedreht hat.

Die Ramisch-Bluesband mit Seuss. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Auch Anson Funderburgh, der Held der Bluesnacht 2017, war kein Leisetreter, klar. Aber Baty übertreibt es einfach: Selbst wenn er nur Rhythmusgitarre spielt, übertönt er mühelos den Sänger. Der Mann am Mischpult ist machtlos, er kann nur runterregeln, wenn der Amp des Gitarristen mit dem Mikro abgenommen und noch mal verstärkt wird, was in diesem Fall irrwitzig wäre. Deutlich leiser wird Baty nur, wenn er sich auf einen Stuhl setzt und nun selbst im Strahl der Lautsprecher hockt oder wenn Norcia eine Akustiknummer anstimmt und ohne Mikro singt.

Dass Baty seine Band an die Wand spielt, ist ein Jammer, zumal der Mann wirklich was kann. Stilistisch ist er eine Art Fusion aus dem, was die zwei Gitarristen der Ramisch-Band in ihren eigenen schnörkellosen und eingängigen Songs, in Stücken von Jimmy Rogers und Lightnin' Hopkins, in Boogie- und Zydeco-Nummern bieten: hier das Archaische und Kauzige, für das Robert Ramisch steht, dort die jazzig angehauchte Raffinesse, die Titus Vollmer zeigt, der sich auch von einer gerissenen Saite nicht aus der Bahn werfen lässt. Batys Spiel jedenfalls ist rau gezimmert, er wirft schon mal Akkordfolgen ein und segelt an Stereotypen entlang. Aber er kann auch mit feinen Skalen überraschen, die aus dem Bebop und Gypsy-Swing kommen, Shadows-Atmosphäre heraufbeschwören und im Stil von Robert Johnson begleiten. Sein Ton ist aggressiv und giftig - und das Publikum trotz der Lautstärke so applausfreudig, dass es jeden seiner Alleingänge und jedes Harpsolo beklatscht.

Musik nur, wenn sie laut ist: Little Charlie Baty und Harpspieler Ray Norcia. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nebenbei führen die ausgeschlafenen Herren vor, wie viele Farben der Blues hat. Sie zelebrieren vorwiegend Chicago- und Texas-Blues mit Songs wie "Someday, someway", "Blues stop knocking on my Door" und Reverenzen an Ray Norcias Vorbild Little Walter Jacobs und an James Cotton, können aber auch Rock'n'Roll und herrlich altmodisch klingenden Swing, als wär's von Woody Allen. Seuss, der zuvor schon bei der Robert Ramisch Bluesband in die Tasten gelangt hat, darf kurz vor dem Finale auch bei den Bluetones mitmischen: Er steuert ein paar wunderbare Solos bei, ohne viel Geklingel, dafür erdig, mit originellen harmonischen Ideen.

Als Zugabe gibt's ein besonders nettes Duett: Sänger Sugar Ray Norcia giftet seinen Gitarristen an. Ja, der Kerl mache ihn wahnsinnig, denke aber im Übrigen das Gleiche über ihn. Ist natürlich nur ein Spaß.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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