Musik:Alte Klangwelten neu erlebt

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Im Salon für Klang und Kunst in Krialling überzeugen Udo Schindler und Johannes Öllinger (rechts) mit ihren ungewöhnlichen Improvisationen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Kraillinger Improvisationen im Salon Klang & Kunst an E-Gitarre und Theorbe

Von Reinhard Palmer, Krailling

Es war schon eine aparte Instrumentenwahl, die Johannes Öllinger für die Ad-hoc-Improvisation im Salon für "Klang & Kunst" in Krailling getroffen hatte. Auf der einen Seite die E-Gitarre, die mit kleinen elektronischen Helfern schon ein schier endloses Spektrum an satten klanglichen Möglichkeiten bot, zumal in Kombination mit diversen Zupf-, Streich-, Klopf-, Wisch- und sonstigen Spieltechniken. Auf der anderen Seite die langhalsige historische Theorbe (bzw. der Chitarrone) mit ihrer filigranen Tonzierlichkeit von überaus dynamischer Charakteristik. Er habe beschlossen, die Theorbe zu spielen, da sein Instrument von Gerhard Söhne in Krailling - nur wenige Hundert Meter von Udo Schindlers Salon entfernt - gebaut sei, verkündete Öllinger.

Diese gewiss geradezu konträre Klangausrichtung der beiden Instrumente sollte sich in der Improvisation aus dem Moment heraus als überaus inspirierend erweisen, allerdings auch als eine große Herausforderung für Udo Schindler, der mit seinen diversen Klarinetten und dem Kornett auf die extrem kontrastierenden Klangwelten Öllingers entsprechend eingehen musste. Doch gerade diese Überraschungen, Widersprüche, Kontraste, Brüche, kurzum Unbequemlichkeiten braucht offenbar die Ad-hoc-Improvisation, um zu fesseln und vor allem klanglich zu faszinieren.

Man spürte bald: Für die Improvisationsmusiker ist Gewöhnliches wohl eine weit größere Hürde. An spieltechnischen Ideen fehlte es Schindler jedenfalls nicht, Öllingers diversen Finessen der Tonerzeugung einen adäquaten Gegenpart zu bieten. Ob nun klangsatt, volltonig ausgesungen, effektvoll aufs Perkussive reduziert oder einfach nur auf Geräuschen basierend: Es gelang dem Duo stets, in gegenseitiger Herausforderung, aber auch harmonisierender Ausbalancierung eine Ensembleeinheit zu kreieren, obgleich doch die Instrumentarien der beiden Musiker nicht per se miteinander harmonieren.

Eine besondere klangliche Kombination ergab das Zusammenspiel aus Theorbe und Kontrabassklarinette, die zusammen eine orientalisierende Färbung hervorbrachten. Dementsprechend auch eine überaus sinnliche Charakteristik, zumal durch die vibrierende Tiefe der Kontrabassklarinette auch körperlich spürbar. Das Wischen über die Theorbensaiten, Scheppern der Saiten am Korpus, die filigrane Versponnenheit gezupften Spiels, bogengestrichene, geräuschhafte Tonerzeugung und Ähnliches brachte etwas visionär-mysteriöses ins Spiel. Von durchaus bildhaften Qualitäten, die ja stets auch eine erzählerische Komponente mitführen.

Griff Öllinger zur E-Gitarre, so konnte es schon laut werden, nicht selten überraschend, als satter Brüller oder auch ein dicht gewebter Klangteppich, dem sich Schindlers Klarinetten auf ähnliche Weise anschlossen, um irgendwo im Raum Soundscapes schweben zu lassen. Der Münchner Gitarrist scheute nicht, auch Altbekanntes wie Rock und Funk ins Spiel zu bringen.

Bisweilen ging Schindler darauf ein, ließ seine Bassklarinette heiser darauf reagieren, überblies sie oder legte Rockballadenmelodien über Öllingers Groove. Die Atmosphäre konnte aber auch ins Groteske kippen, dann waren dadaistische Kuriositäten nicht fehl am Platz. Etwa gedämpftes Kornetttröten mit Stimmeinsatz zu schnippischen Tonsprengseln der Gitarre.

Eine gerissene Saite an der Theorbe wäre in einem klassischen Konzert höchst ärgerlich. Nicht so in der Ad-hoc-Improvisation, nutzte doch Öllinger diese Saite sogleich als Hilfsmittel, neuartige Klänge zu erzeugen, spannte sie per Hand, um daran zu zupfen, oder zog sie reibend unter einer anderen Saite durch. Ein spannender Trip durch die Jahrhunderte der Klanggeschichte mit avantgardistischen Ideen.

© SZ vom 27.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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