Münsing:Souveränes Spiel

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Ketevan Sepashvili. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Pianistin Ketevan Sepashvili auf Schloss Weidenkam

Von Reinhard Szyszka, Münsing

Noch keine zwei Jahre war das Mädchen alt, da spielte es schon Melodien aus der Volksmusik am Klavier nach. Mit vier Jahren kam es an die Schule für musikalisch Hochbegabte. Eine Wunderkind-Karriere, die schwindlig macht. Und Ketevan Sepashvili ging ihren Weg konsequent weiter. Heute, nach etlichen Meisterkursen, Klavierwettbewerben und Konzerterfolgen, ist die junge Georgierin ein "neuer leuchtender Stern am Pianisten-Himmel", wie eine Schweizer Zeitung schreibt. Nun ließ sich die Künstlerin auf Schloss Weidenkam hören, wo einer ihrer Lehrer, der Pianist Hans-Jürg Strub, seinen alljährlichen Meisterkurs abhält.

Sepashvili hatte ein anspruchsvolles, ehrgeiziges Programm zusammengestellt, das drei Komponisten aus gänzlich unterschiedlichen Epochen einander gegenüberstellte: Johann Sebastian Bach, Robert Schumann und Sergei Rachmaninoff. Sie eröffnete den Abend mit der B-Dur-Partita aus dem ersten Teil der "Klavierübung" von Bach. "Wer einige Stücke daraus recht gut vortragen lernte, könnte sein Glück in der Welt damit machen", schrieb der Bach-Biograf Johann Nikolas Forkel einst über die sechs Partiten. Und in der Tat: Ketevan Sepashvili hatte die Partita in B-Dur "recht gut vortragen gelernt". Schnörkellos und schlank war ihr Spiel, klar und deutlich ihr Anschlag, unaufdringlich transparent ihre Gestaltung der polyphonen Linien. Die Pianistin unternahm nicht den leisesten Versuch, ein Cembalo zu imitieren, sondern sie nutzte die Möglichkeiten des modernen Konzertflügels voll aus, ohne dabei in die Manierismen eines Glenn Gould zu verfallen. Sie scheute sich nicht, die musikalischen Zusammenhänge durch diskreten Pedalgebrauch zu verdeutlichen und bei der Sarabande die emotionalen Tiefen von Bachs Musik auszuloten. Sepashvili spielte alle Wiederholungen, die in den Noten stehen, konsequent aus, ohne dadurch Langeweile zu verbreiten, weil sie die Musik im zweiten Durchgang stets ein wenig anders gestaltete als beim ersten Mal. Einen Gag erlaubte sie sich beim zweiten Menuett, wo sie in der Wiederholung einfach die Stimmen vertauschte, also das, was für die rechte Hand notiert ist, eine Oktave tiefer in die linke Hand verlagerte, und umgekehrt. Bach hätte sich sicher darüber amüsiert.

Es folgten die "Kreisleriana" von Robert Schumann, eines der anspruchsvollsten und umfangreichsten Werke, die Schumann geschaffen hat. Sepashvili bewältigte den gewaltigen Brocken souverän und zeigte, wie modern, wie zukunftsweisend vieles in dieser Musik ist. Die chromatische Passage kurz vor Ende des zweiten Stücks ließ schon den Impressionismus ahnen. Doch auch die lyrischen, ruhigen Momente kamen nicht zu kurz. Wo Schumann "sehr langsam" vorschreibt, besaß die Pianistin den langen Atem, wirklich langsam zu spielen und die Melodien auszukosten. Die "Kreisleriana" sind ein Werk der Extreme - fast jede Tempobezeichnung beginnt mit dem Wort "sehr" -, und Sepashvili stellte die Gegensätze deutlich heraus.

Nach der Pause dann die "Études tableaux" von Rachmaninoff. Der Komponist steht im Ruf eines stehen gebliebenen, von der Zeit überholten Spätromantikers - zu Unrecht, wie Sepashvili mit ihrem Spiel deutlich machte. Die Zeitgenossen und Landsleute Rachmaninoff und Strawinsky waren sich bei aller herzlichen gegenseitigen Abneigung näher in ihrer Musik, als sie es selbst wahrhaben wollten. Freilich hat Rachmaninoff die Verbindung zur Tonalität nie gekappt, und so standen harte, rhythmische Passagen neben lyrischen Melodien. Die Pianistin wurde beiden Aspekten gerecht. Sie verfügte über die Virtuosität, die enormen technischen Anforderungen des Werks nicht nur zu meistern, sondern dabei auch die Feinheiten zu gestalten. Großer, berechtigter Applaus.

© SZ vom 19.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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