Montessorischule:Vorzeigeprojekt gekippt

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Berg lehnt das seit langem geplante inklusive Mehrgenerationenhaus auf Gut Biberkor ab. Gründe sind Größe und Standort.

Von Sabine Bader, Berg

Mehrheiten können sich bekanntlich ändern, können kippen. Projekte, die bis vor kurzem noch unstrittig, ja sogar gewollt waren, können scheitern, mit weitreichenden Folgen für den Bauherrn, versteht sich. So ist es am Dienstagabend dem Gründer der Montessorischule Biberkor ergangen, Werner von Kahlden-Gmell. Er wollte, gemeinsam mit seiner Ehefrau Dorothea, ein inklusives Mehrgenerationenwohnprojekt auf einem Außenbereichsgrundstück im Norden des Gutsgeländes verwirklichen. Eine Herzensangelegenheit der beiden. 25 bis 30 Menschen mit und ohne Behinderung sollten hier ein Zuhaus finden und gemeinschaftlich leben können.

Ein Vorzeigeprojekt, dessen Bau die Gemeinde nichts gekostet und auch Gemeindebürgern offen gestanden hätte. Mit 13 zu fünf Stimmen haben die Berger Gemeinderäte in der Sitzung am Dienstagabend jedoch das bereits seit sechs Jahren laufende Bebauungsplanverfahren für das Vorhaben gekippt. Allerdings wurden die Kritiker der Pläne nicht müde zu beteuern, dass sie nicht gegen das Wohnprojekt an sich, sondern lediglich gegen dessen Größe und den geplanten Standort seien. Sie stellten den Eheleuten frei, neue Vorschläge an einer Stelle des Gutsgeländes einzureichen, welche im Umgriff des bereits bestehenden Bebauungsplans liege.

Dennoch, für Werner von Kahlen-Gemel dürfte der Ausgang der Sitzung eine herbe Niederlage bedeuten. Denn der 77-Jährige trägt sich bereits seit 2014 mit dem ambitionierten Wohnprojekt. Seitdem waren auch die Gemeinderäte in die Pläne eingebunden. 2015 beschloss man, einen Bebauungsplan dafür aufzustellen. Jetzt, sechs Jahre später, hat der Gemeinderat wieder alles auf Anfang gestellt. Ausgang offen. Warum? Mit der Kommunalwahl im März 2020 hatte ein Generationswechsel im Gemeinderat stattgefunden. Fast die Hälfte der Ratsmitglieder ist neu und hat teils andere Pläne mit Biberkor. Besonders störten sie sich am vorgesehenen Standort im Norden des Gutsgeländes. In zahlreichen Wortmeldungen plädierten sie dafür, das Projekt entweder in einem der Altbauten unterzubringen oder in abgespeckter Version an anderer Stelle auf dem Gutsgelände zu verwirklichen - etwa im Süden. Kahlden-Gmell muss also umdenken und umplanen. Das steht fest.

Dabei hatten er es sich so schön vorgestellt. Das inklusive Wohnprojekt sollten sein Konzept für Biberkor abrunden. Hier sollten vor allem junge Menschen mit Behinderung, die die Schule abgeschlossen haben und häufig weder eine Wohnung noch eine Arbeitsstelle auf dem freien Markt finden, leben können und einer Beschäftigung nachgehen - in der kleinen Landwirtschaft, der Gärtnerei oder der Imkerei, die es bereits in Ansätzen auf dem Gutsgelände gibt. Auch ein kleiner Hofladen war, zumindest bislang, geplant.

Im Jahr 1995 hatte Kahlden-Gmell das Anwesen zwischen Aufkirchen und Höhenrain vom Orden "Schwestern von der Heiligen Familie" gekauft, dem das Gut zuvor als Erholungsheim gedient hatte. Und Kahlden-Gmell hat dort ein einzigartiges Montessoriprojekt verwirklicht: eine "Montessorischule für Alle - vom Kindergarten bis zum Abitur". Mit ihr hat sich die Gemeinde Berg weit über die Landkreisgrenzen hinaus in der Republik einen Namen gemacht. Heute wird die Schule von rund 560 Kindern und Jugendlichen besucht, 40 davon haben Beeinträchtigungen.

© SZ vom 02.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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