Mitten in Herrsching:Brauchtum auf Italienisch

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Mit einem Maibaum kann nicht jeder etwas anfangen

Von Patrizia Steipe

Nach vier Jahren wird ein bayerischer Maibaum gemeinhin ausgetauscht. So will es der Brauch und auch die Sicherheit. Und da es sich 2017 zum vierten Mal jährt, dass als Symbol der Freundschaft erstmalig ein Maibaum im italienischen Ravina-Romagnano aufgestellt worden war, ist eine Herrschinger Delegation in die Partnergemeinde gefahren, um das Procedere zu besprechen. Das Ergebnis des Arbeitstreffens bereitet den Herrschingern jedoch Sorgen, gestand Bürgermeister Christian Schiller in der jüngsten Ratssitzung. Viel Aufklärungsarbeit hatten die Herrschinger vor drei Jahren geleistet. Der Maibaumbeauftragte der Gemeinde, Ludwig Darchinger, war mehrmals in Italien gewesen, um die dortigen Mannen zu instruieren. Ein eiserner Maibaum war genauso verhindert worden wie ein 30 Meter hoher, der beim traditionellen Aufstellen mit Stangen doch jahrzehntelanger Erfahrungen bedurft hätte. Und während Darchinger seinen Herrschingern beim kniffligen Aufstellen des Baumes ein Bierverbot verordnet hatte, sah man die Italiener recht ausgelassen einander zuprosten, bevor sie dann den zweisprachigen Anweisungen wie "langsam anheben, aber piano" und "due derma da nüber" Folge leisteten. Dass Maibaumaufstellen kein Spaß ist, das hatten die Ravinotti nicht begriffen und ob sie es je begreifen werden, das ist für die Herrschinger fraglich. Während auf den bayerischen Dörfern Fahrpläne für die nächsten Maifeiern längst stehen, wissen die italienischen Partner lediglich woher sie einen Baum bekommen würden und dass sie gerne wieder so eine lustige Feier am Ort hätten. Alles weitere - Fehlanzeige. Sogar die mühsam angelernten Maibaumaufsteller sind verschwunden. Von denen hat Darchinger beim letzten Treffen keinen mehr gesehen, "das waren alles Neue", wunderte er sich. Auch die Bürgermeisterin ist mittlerweile neu. Das Dirndl als Gastgeschenk wäre nicht das Problem, aber die Herrschinger ahnen schon, dass sie wieder die ganze Arbeit mit dem Baum alleine machen müssten. Ob der Brauchtumsexport wirklich wiederholt werden sollte - sicher war man sich im Ratsgremium nicht. Es war dann Willi Welte, der eine quasi italienische Lösung vorschlug. "Lassen wir den alten Baum halt noch ein Jahr stehen".

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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