Machtlfing/Starnberg:Mangelhafte Inklusion

Lesezeit: 2 min

Zur spontanen Ausfahrt mit dem Tandem-Trike rund um die Machtlfinger IWL-Werkstätten können die Betreuer künftig ihre Schutzbefohlenen einladen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Kreissozialausschuss verabschiedet den Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen einstimmig. Das 282 Seiten dicke Werk zeigt die Defizite im Landkreis auf und stellt die Basis für Verbesserungen dar

Von Wolfgang Prochaska, Machtlfing/Starnberg

Es ist nicht nur eine Fleißarbeit gewesen. Der Aktionsplan des Landkreises für Menschen mit Behinderungen meint es ernst, sehr ernst mit der Inklusion. Auf 282 Seiten ist genau aufgelistet, was sich jene wünschen, die bislang ihren Alltag nicht so gestalten können, wie es nach der UN-Behindertenrechtskonvention vorgesehen ist. Das soll sich künftig ändern. Der Aktionsplan sieht entsprechende sukzessive Verbesserungen vor, insgesamt 110 Maßnahmen.

Der Kreissozialausschuss hat ihm am Mittwoch zugestimmt und gleich seine eigenen Wünsche den weiteren Kreisgremien mitgegeben. Dazu gehört eine Vollzeitstelle, die die Umsetzung des "Handbuchs für ein selbstbestimmtes Leben", wie Grünen-Kreisrat Peter Unger den Wälzer nannte, koordinieren soll. Überhaupt erhielten die Verantwortlichen wie die Behindertenbeauftragte Petra Seidl und Aktionsplan-Koordinatorin Doris Meszaros viel Lob, was der stellvertretende Landrat Tim Weidner (SPD) mit den Worten zusammenfasste: "Mit diesem Plan sind wir Vorreiter in Bayern." Um dem Thema gerecht zu werden, tagte das Gremium diesmal nicht im Landratsamt sondern in den IWL-Werkstätten für Behinderte in Machtlfing. Die Kreisräte erhielten per Rundgang auch gleich einen Einblick in dort geleistete Arbeit.

Friedrich Büttner, Leiter des Starnberger Sozialamts, war es, der dann den Aktionsplan vorstellte. Das Besondere: Die erarbeiteten Wünsche und Ziele haben die Betroffenen in Arbeitskreisen und an zwei Aktionstagen formuliert und dabei sechs Handlungsfelder herausgearbeitet: Arbeit, Freizeit, Bildung und Schule, Mobilität, politische Teilhabe und Wohnen.

Wie schwierig es für Menschen mit Behinderungen immer noch ist, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, zeigte Büttner an Hand des Beispiels, dass es bei Festen keine öffentlichen Toiletten gibt. Der Landkreis hat sich heuer ein mobiles Sanitärsystem für Behinderte ausgeliehen, aber wie Büttner leicht resigniert einräumte, sei die Nachfrage der Gemeinden sehr gering. Der Aufwand sei zu hoch, hieß es meist. Auch das Arbeitsleben grenzt eher Behinderte aus, als dass sie dort als gleichwertige Mitarbeiter von Firmen anerkannt werden. "Es gibt noch immer Vorbehalte von Arbeitgebern", berichtete der Sozialamtsleiter und wies auch auf die höhere Arbeitslosenquote hin. Große Defizite gibt es ebenso bei der Mobilität. 65 Prozent der Behinderten sehen sich in ihrer Mobilität beeinträchtigt. Das liegt an fehlenden Aufzügen in Bahnhöfen, an zu hohen Bordsteinkanten oder an Bussen, die keinen geeigneten Einstieg haben, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Besonders schlecht schaut es laut Büttner bei Schule und Ausbildung aus. "Dabei können Barrieren am besten mit der Frühkinderziehung abgebaut werden." Denn im Gegensatz zu den Kindergärten hinken die Schulen - vor allem die weiterführenden - beim Thema Inklusion weit hinterher. "Das ist das härteste Arbeitsfeld." Wie soll es nun mit der Umsetzung weitergehen? Ein Arbeitskreis will eine Reihenfolge der Themen zusammenstellen. Und dann wollen die Ausschussmitglieder für eine Vollzeitstelle kämpfen. Das letzte Wort hat nämlich der Kreistag am 24. Juli.

© SZ vom 07.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: