Lesung:Mädchenhafter Schalk

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Wenn Marianne Sägebrecht erzählt, hängt das Publikum vergnügt an ihren Lippen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Marianne Sägebrecht erzählt und liest in Starnberg

Von Ute Pröttel, Starnberg

Sie kommt nicht von zu Hause. Mit leichter Verspätung lässt sich Marianne Sägebrecht in dem schwarzen Sessel nieder. Vor ihr ein kleiner runder Tisch mit einem Sträußchen Blumen, ein Mikrofon und eine kleine Flasche Bier. Ihr Gastgeber an diesem Abend ist Wolfgang Bartelmann von der Starnberger Bücherjolle. Und der war schon ein wenig nervös geworden, dabei wusste er ja, dass sie drüben in der Lago Lounge mit Ralf Glenk noch gerade den Ablauf des Abends durchspricht.

Dass sie es überhaupt pünktlich nach Starnberg geschafft hat, ist an diesem Tag allerdings bemerkenswert. Sie reiste von Plön an, wo sie am Mittwochabend zu Gast bei NDR-Moderator Hubertus Meyer-Burghardt und seiner Sendung Frauengeschichten war. Der Rückflug von Hamburg sollte mit der Air Berlin stattfinden, allein die flog nicht. Wortreich erzählt Sägebrecht, wie sie weinend und bittend die Damen bei der Lufthansa im wahrsten Sinnes des Wortes bekniet habe, sie noch mit nach München zu nehmen. Dort angekommen, landete sie am falschen Terminal und machte sich auf eine lange Suche nach ihrem Auto, das am anderen Terminal geparkt war. Endlich Richtung Starnberg unterwegs muss sie feststellen, dass rund um München ein Mordsverkehr herrscht. "Ich war so dermaßen aufgeregt, dass nix mehr aus uns wird, heute Abend", erzählt Sägebrecht. Das Publikum hängt vergnügt an ihren Lippen. Sie wählt den Weg über die Nebenstraßen und trifft kurz vor Beginn der Lesung in Starnberg ein.

Allein diese Beschreibung könnte schon Inhalt eines neuen Sägebrecht-Films sein. Wer sie aus Filmen wie "Omamamia" oder "Out of Rosenheim" kennt, sieht sie vor dem geistigen Auge durch einen modernen Flughafen und etliche Etagen Parkgarage irren, um dann in Nahaufnahme auf der Autobahn zu verzweifeln und schließlich durch die malerische bayerische Landschaft an den Starnberger See zu gelangen.

Wie gut, dass sie und ihr musikalischer Gegenpart Ralf Glenk ein eingespieltes Team sind. Der schwäbische Musiker gerät auch nicht aus der Fassung, wenn die Sägebrecht mitten in der Lesung ein Lied von ihm wünscht, dass an der Stelle gar nicht vorgesehen war.

Die 71-jährige Schauspielerin und Kabarettistin liest an diesem Abend in der vollbesetzten Starnberger Buchhandlung Texte, die zu Wegmarken in ihrem Leben geworden sind. Sie stammen von Berthold Brecht, Friedrich Wilhelm Nitzsche, Mascha Kaléko, Patrizia Moresco oder Walt Whitman. Dazu spielt Ralf Glenk selbst vertonte Lieder zu Texten von Johann Wolfgang Goethe und Theodor Kramer. Sein Repertoire reicht von Walter von der Vogelweide über Carole King bis Harry Belafonte. Die Sägebrecht spricht von Liebe und Schwerenötern, von Versöhnung und Klimakterium. Von ihrer Geburt im Haus einer Starnberger Hebamme, in dem sie später tatsächlich lebte, und von ihrer 25-jährigen Enkelin, die zu einer neuen Generation von Weltenbürgern gehört. Altersweise und doch mit mädchenhaftem Schalk. Die Strapazen des Tages sind nicht zu spüren. Von ihren großen Erfolgen spricht sie nicht. Dafür von einem Projekt, dass sie noch umtreibt: Surinam. Das Land ihrer Sehnsucht, seit sie ein kleines Mädchen war und der Großvater ihr vom Regenwald erzählt hat. Ihre im letzten Jahr erschienene Autobiografie trägt den Titel "Auf dem Weg nach Surinam". Im Frühjahr 2017 will sie nun endlich in das Land ihrer Kindheitsträume reisen.

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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