Lesung:Da schau her!

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Die Seiten getauscht: Dichter Anton G. Leitner sitzt am Schreibtisch des Landrats Karl Roth, der sich unter die Zuhörer gemischt hat. (Foto: Georgine Treybal)

Anton G. Leitner, der S-Bahn-Bairisch-Dichter, liest im Amtszimmer von Landrat Karl Roth

Von Ute Pröttel, Starnberg

Karl Roth hat seinen Schreibtisch geräumt und Platz gemacht für einen Dichter. Der Landrat hat den Lyriker Anton G. Leitner zur Wohnzimmerlesung in sein Amtszimmer geladen. Auf der freigeräumten Tischplatte sind nur das Telefon und eine kleine Uhr verblieben.

Anton G. Leitner hängt fröhlich sein Jackett über die Lehne des landrätlichen Amtssessels und nimmt hinter dem Schreibtisch Platz. Der Schalk blitzt aus seinen Augen. Oh ja, das gefällt ihm. Und Karl Roth auch. Der Hausherr sitzt mit einer Handvoll Gästen vor dem Schreibtisch. Sein Jackett im feinen Pepitamuster legt er auch trotz sommerlicher dreißig Grad nicht ab, er ist schließlich Landrat. Die Balkontüre hinter dem Schreibtisch steht offen, die Atmosphäre hätte in Roths Wohnzimmer wohl nicht entspannter sein können.

Leitner liest aus seinem neuesten Buch "Schnablgwax". Erst seit vier Jahren traue er sich so zu schreiben, wie ihm der Schnabel gewachsen sei, erzählt der langjährige Herausgeber der Zeitschrift "Das Gedicht". Sein Buch ist eine Art Mundartprojekt. Versgeschichten in S-Bahn-Bairisch, wie er es nennt, mit einer Übersetzung ins Hochdeutsche. Finanziert hat Leitner das Buch per Crowdfunding. Zirka 8000 Euro kamen so zusammen, die zum Großteil in das aufwendige Lektorat des Werkes geflossen sind.

Lektorin Johanna Trischberger hat sogar eine eigene Exeltabelle mit Leitners bairischem Wortschatz angelegt. Der übersetzt intime Einblicke etwa mit "Diaf einigschaugd" oder Nicht in die Puschen kommen mit "Umananda doa".

Dass das Dichten in Mundart dem 55-jährigen Weßlinger richtig viel Spaß macht, spüren die Zuhörer. Zwischendurch erzählt er, wo überall er Inspiration findet: Einmal schwimmt er durch den Weßlinger See und hört einem jugendlichen Trio auf dem Steg zu, einmal inspiriert ihn das T-Shirt - Tieschöad - einer jungen Münchnerin mit dem Aufdruck "I will if you will" zu einem Gedicht. Leitner dreht alles durch den Veaswoif, wie das bei ihm so schön heißt: Schickeria, Gemeinderat oder die Begegnung mit einem jungen Flüchtling.

Es sind Abende wie dieser, mit denen der frisch gekürte Träger des SZ-Tassilopreises sich und sein Steckenpferd immer wieder ins Gespräch bringt. Darin ist er ein Virtuose. Auch beim bevorstehenden Fünfseen-Filmfestival wird er aus "Schnablgwax" lesen ( 6. August, Hochstadt). Die ersten tausend Stück der im Juni erschienen Auflage warten mit Reliefdruck und Schutzumschlag auf. 700 sind bereits verkauft. Weitere Infos unter www.Schnablgeax.de.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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