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Schlechtes Gewissen

Zur Berichterstattung über den geplanten Klinik-Neubau in Seefeld:

Was sich aktuell in der Gemeinde Seefeld um die Frage eines Klinik-Neubaus abspielt, ist im lokalen Kosmos die Miniversion der globalen Gretchenfrage dieser Wendezeit: Wie hältst du's mit dem Schutz der Umwelt? Wie ernst ist es dir mit dem Klimawandel? Das müsste eigentlich in großen Lettern auf dem Wahlbogen der Gemeinde zum Ratsbegehren stehen.

Aber da traut sich der Autor (Ratsmehrheit/Verwaltung?) nicht einmal zu erwähnen, dass es um eine Fläche im Landschaftsschutz geht. Nicht einmal ein Lageplan zeigt, wofür die geforderte Entscheidung gelten soll. Von einer Bahnhofstraße östlich des Friedhofs ist die Rede. Der Friedhof heißt "An der Lindenallee". Meinen sie die Lindenallee und wollen Erinnerung an die Eichenallee-Proteste vermeiden? Kommunikationstechnisch ist dieser Wahlbogen ein Dokument des schlechten Gewissens und der Meinungsmanipulation.

Alternative Flächen und Lösungen sind noch längst nicht endgültig ausverhandelt. Will sich hier ein neuer Landrat auf Kosten der Umwelt als schneidiger Durchsetzer profilieren und droht der Gemeinde mit: "Friss oder Stirb"? Die Behauptung, das Seefelder Krankenhaus könnte bei der Ablehnung des Ratsbegehrens ersatzlos geschlossen werden, ist haltlose Angstmache. Der Staat ist zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung verpflichtet, da führt kein Weg dran vorbei.

Wenn ein CSU-Landrat nicht willens oder fähig ist, soziale und ökologische Anforderungen zu integrieren, hat er heute sein Amt verfehlt. Eine Jahrhundert-Entscheidung wie ein Klinikneubau verdient eine gründlichere Abwägung, die nicht auf das billigste Stück Natur hinausläuft.

Helmut Ronstedt, Seefeld- Hechendorf

Imagepflege mit Thomas Mann

Zum Artikel "Der Zauberer muss in die Klinik" vom 2. Mai: Nun scheint es also endgültig soweit zu sein: Die letzte ehemals öffentlich zugängliche Wirkstätte von Thomas Mann in Deutschland geht - nicht nur - der Feldafinger Bevölkerung verloren. Was könnte man aus kultureller Sicht nicht alles mit diesem kleinen Häuschen für Feldafing leisten? Da ist natürlich der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, der nicht nur an diesem Ort geschrieben hat, sondern über seine Ehefrau mit Feldafing verbunden war. Jener Thomas Mann, der in Deutschlands düstersten Stunden von England aus über Radiosendungen versucht hat, die deutsche Bevölkerung aufzurütteln. Er ließ sich in diesem Haus von Carusos Stimme verzaubern.

1945, zur Zeit des DP-Lagers war in denselben Räumen ein jüdischer Überlebender einquartiert. Er wollte ein Kunstwerk aus Zementsäcken schaffen, das den heiligen Labre, Schutzpatron der Heimatlosen, Flüchtigen und Verzweifelten darstellt, weil er nur dank wärmender Zementsäcke, die er sich unter die viel zu dünne Arbeitskleidung schob, den Naziterror überlebte.

Dann ist da natürlich noch die Vereinnahmung des Ortes durch die Nazis, wovon unter anderem die Reste von Barackenfundamenten erzählen könnten, an deren Stelle heute Personalwohnungen stehen.

Mit museumspädagogisch ausgereiften Konzepten, digital aufbereitet, könnte man diese drei Bereiche auch in diesem vergleichsweisen kleinen Hause wirkungsvoll in Szene setzten. Zum Gewinn, nicht nur für Feldafing, sondern für alle kulturgeschichtlich Interessierten.

Leider wird es aber nicht so weit kommen. Artemed wird Thomas Mann werbewirksam vereinnahmen. Das ist gut für das Image und kostet nichts.

Nikolaus Högel, Feldafing

© SZ vom 07.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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