Landkreis Starnberg:Im Fünfseenland fehlen Psychiater

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Der Landkreis Starnberg hat die höchste Ärztedichte - mit einer Ausnahme: Für Kassenpatienten gibt es nur einen Psychiater. Und auch der will nun umschwenken.

Sylvia Böhm-Haimerl

Weltweit hat der Landkreis Starnberg bekanntlich die höchste Ärztedichte. Eine Ausnahme gibt es allerdings: die Psychiatrie. In diesem Bereich ist die ambulante Versorgung sogar akut gefährdet, jedenfalls was die Kassenpatienten betrifft. Zwar ist das Angebot an Privatpraxen, Psychotherapeuten und Neurologen im Fünfseenland ausreichend, sagt Fokko Münck, Psychologe beim Sozialpsychiatrischen Dienst Starnberg (spdi). Doch nur noch ein Facharzt behandelt Kassenpatienten. Das ergibt sich aus dem Psychiatriebericht, den der Steuerungsverbund für psychische Gesundheit jetzt erarbeitet hat. Ähnlich besorgniserregend ist die Situation auch in den Nachbarlandkreisen. "Es ist nicht nur Bedarf da, es ist ein Notstand", betonte Münck, der auch Mitglied im Steuerungsverbund ist.

Genaue Zahlen gibt es für den Landkreis zwar nicht, aber laut Statistik leidet jeder vierte Bürger einmal im Leben an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung. Gerade in akuten Phasen müssten die Patienten medikamentös und damit von einem Psychiater behandelt werden. Ansonsten sei die Gefahr eines Suizids sehr groß, so Münck.

Landrat Karl Roth habe den Missstand schon vergangenes Jahr bei der Kassenärztlichen Vereinigung moniert und eine Sonderermächtigung für einen weiteren Facharzt erwirkt, berichtet Sprecher Stefan Diebl. Dennoch sei die Situation noch nicht zufrieden stellend. Besonders prekär ist die Lage geworden, seit der einzige praktizierende Psychiater im Landkreis, der sich der Kassenpatienten annimmt, Klaus-Dieter Pfeffer nun überlegt, dem Vorbild seiner Kollegen zu folgen und auf Psychotherapie umzuschwenken. Der Hauptgrund für die Unterversorgung im Fünfseenland ist laut Pfeffer nämlich die schlechte Bezahlung von maximal 52 Euro pro Quartal. Vor dem Hintergrund, dass die Psychotherapie mit rund 81 Euro pro Stunde wesentlich besser honoriert wird, seien seine Kollegen überwiegend auf diese Behandlungsart ausgewichen, sagt er. Pfeffer fordert nun, schnellstmöglich eine Verbesserung der Situation für seinen Berufsstand vor allem von politischer Seite.

Das schlechte Image der Psychiatrie sowie die Überalterung der Kollegen seien allerdings auch Gründe für die jetzige Situation. Geht ein Psychiater in den Ruhestand, übernehme meist ein Neurologe die Praxis. Dies bestätigt auch Thomas Hirsch von der Fachklinik für Psychiatrie in Gauting. "Die Psychiatrie ist verloren gegangen", sagt er, weil Neurologen und Psychiater bei der Verteilung in einen Topf geworfen werden. Da die Klinik nur akute Fälle abdeckt, hat Hirsch eine Sonderermächtigung erhalten. Er darf eine Praxis in der Klinik betreiben. Seit Mai bietet er neben seiner Tätigkeit als Klinikarzt auch ambulante Sprechstunden nach Vereinbarung an. Dennoch reicht das Angebot seiner Meinung nach bei weitem nicht aus, da er keine Hausbesuche machen darf. "Ich hätte gerne die Versorgung in den Altenheimen verbessert", sagte er. Denn gerade die gerontopsychiatrische Versorgung sei "ein Armutszeugnis" für den Landkreis. Im ärztlichen Kreisverband Starnberg ist der Mangel ebenfalls bekannt. "Man hat bislang wenig erreicht. Ich werde das für die nächste Sitzung auf die Agenda setzen", versprach die stellvertretende Vorsitzende Claudia Hebeisen.

Im Landkreis Dachau ist das Problem noch gravierender: Für Kinder und Jugendliche, die an psychischen Störungen leiden, ist überhaupt kein Psychiater da.

© SZ vom 06.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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