Wirtschaft im Landkreis:Wenn sich die Christbaumkugeln stapeln

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Ein Fachgeschäft, in dem es auch Wohnaccessoires und Geschenke gibt - das Schaufenster von "Wohnen & Tee" in Gauting. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Trotz Rekord-Kaufkraft halten auch im Landkreis Starnberg die Menschen zunehmend ihr Geld zusammen. Manche Händler sehen sich in ihrer Existenz bedroht, andere machen trotz Inflation ein gutes Weihnachtsgeschäft.

Von Viktoria Spinrad, Starnberg

Eigentlich könne sie nicht klagen, sagt Tina Bartelmann von der "Bücherjolle" am Starnberger Kirchplatz. Gedruckte Lektüren gehen im Endspurt vor Weihnachten wieder gut über den Ladentresen, und das ist auch wichtig. Etwa zwei Drittel des Jahresumsatzes entfallen allein auf die Weihnachtszeit, sagt sie. "Wenn wir das nicht hätten, wären wir kaputt."

Ganz anders klingt es acht Kilometer nördlich. Am Pippinplatz in Gauting liegt der Laden "Wohnen & Tee". Auch hier weihnachtet es dieser Tage sehr, es gibt Christbaumkugeln mit Tannenzweigen, Pralinen und mehr als 100 verschiedene Teesorten. Die natürliche Anlaufstelle für ein Weihnachtsgeschenk, möchte man meinen, doch sorgen sie sich hier dieser Tage, auf ihrer Weihnachtsdeko sitzenzubleiben. "Ganz schlimm" sei es dieses Jahr, sagt Inhaberin Brigitte Schonath, "das ist nicht mehr aufzuholen".

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Bei manchen läuft es, bei anderen nicht - es ist ein ambivalentes Bild in Starnberg, dem Landkreis mit der höchsten Millionärsdichte und der höchsten Kaufkraft Deutschlands. Doch auch hier sind die meisten eben keine Millionäre, schlagen gestiegene Energiekosten und Inflation auf die Kauflaune. Griffen die Menschen vorher unbekümmert zum größeren Seifenset für 7,90 Euro, wählen sie nun das kleinere für 4,90 Euro. Andere gehen gleich in München einkaufen, wo Ladendichte und Auswahl größer sind. Dazu kommen die Schneemassen Anfang Dezember, die das öffentliche Leben praktisch lahmlegten, und eine vergleichsweise kurze Adventszeit.

Eine Gemengelage, die auch krisenerprobte Händler spüren. Maya Sallinger hat ihr Geschäft in Eching am Ammersee mitten in der Coronazeit eröffnet und sich gehalten. In "Weine und Spezielles" kostet eine Flasche zwischen 6,50 Euro und 115 Euro. In den vergangenen Wochen sei sie nur noch am Packen, sagt sie. Das letzte Quartal im Jahr sei das Wichtigste, hier mache sie etwa die Hälfte des Jahresumsatzes. Um etwa ein Drittel habe sich ihr Geschäft im Vergleich zum vergangenen Jahr reduziert. "Die Menschen wägen schon sehr ab, was sie sich leisten können und was nicht", sagt sie.

Tina Bartelmann von der "Bücherjolle" in Starnberg zeigt sich zufrieden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Brigitte Schönath von "Wohnen & Tee" in Gauting setzt auf Last-Minute-Einkäufer. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Vor drei Jahren hat Maya Sallinger ihren Showroom "Weine und Spezielles" eröffnet. Ihr Mann verkauft dort zugleich Designklassikermöbel. (Foto: privat)

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Mäggie Eberl leitet die Parfümerie Wiedemann in Tutzing. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Andere hingegen scheinen gänzlich unberührt von der Wirtschaftskrise. An der Tutzinger Hauptstraße liegt eine Dependance der Parfümerie Wiedemann. Der Lagebericht von Filialleiterin Mäggi Eberl fällt kurz und knapp aus: "Wir merken nichts", sagt sie. Und das, obwohl auch Parfüms teurer geworden sind. Doch sie habe eben viele Stammkunden, sagt sie. Zudem könne sich der Laden auf die PR der großen Duftmarken verlassen: "Die wissen, wie sie ihre Werbung machen."

Egal, ob die Waren Bücher oder Tees, Weine oder Düfte sind: Sie alle stehen in Konkurrenz zu großen Ketten und dem Online-Handel. Und das in einem Landkreis, in dem man traditionellen Einkaufsstraßen stets den Vorzug gegeben hat vor großen Gewerbegebieten. Mit dem Ergebnis, dass viele Läden mit ihren 50, 60 Quadratmetern schlicht zu klein sind für die resoluten Franchise-Ketten. "Die brauchen 400, 500 Quadratmeter, doch ist das bei uns nicht darstellbar", sagt Christoph Winkelkötter, Chef der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung (GWT) und damit der oberste Wirtschaftsförderer des Landkreises.

Im Büchergeschäft sinkt der Umsatz in zehn Jahren um ein Viertel

So bleibt kleineren Ladengeschäften nur die Selbstbehauptung auf einem umkämpften Markt. Mal im Bücherladen schmökern, sich beraten lassen und sich dann das Buch vom Großhändler mit Sitz im Steuerparadies bestellen - das kennt man bei der Starnberger Bücherjolle. "Manche wollen auch einfach nicht schwer schleppen", sagt Tina Bartelmann. Etwa um ein Viertel sei der Umsatz gesunken seit der Eröffnung vor zehn Jahren, schätzt sie. Um mit der Zeit mitzugehen, kommt man den Menschen hier entgegen: Längst liefert das Team Bücher auch versandkostenfrei zu den Kunden.

Derweil versucht man in Gautings "Wohnen & Tee", auf Instagram zu punkten. Knapp 600 Menschen folgen den Produktbildern von Weihnachtssternen, Rentieren und Kerzen. Ein eigener Online-Shop hingegen würde sich wohl nicht lohnen, "da müssten wir extra eine eigene Kraft einstellen", sagt Inhaberin Schonath. 20 Kilometer westlich hingegen hat Maya Sallinger eine ausgeklügelte Website aufgezogen. Mehr als die Hälfte ihrer Olivenöle verkauft sie über das Internet, für Firmenkunden hat sie Präsentkörbe zusammengestellt. "Das hat mir Weihnachten gerettet", sagt sie.

Für die "Multikrise" gebe es kein Patentrezept, sagt Wirtschaftsförderer Christoph Winkelkötter. (Foto: Georgine Treybal)

In Tutzing hat man derweil die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnen kann, die Menschen direkt auf das Ladensterben anzusprechen. Sieht sie jemanden, der oder die sich einfach nur einsprüht, um dann vielleicht doch nur im Internet zu bestellen, fragt die Filialleiterin die Leute auch mal nett, ob sie auch in Zukunft noch in der Tutzinger Hauptstraße Düfte sprühen und kaufen können möchten. "Ehrliches Reden hilft", sagt Eberl.

Für andere ist es derweil zu spät. An vielen Läden kleben Aufkleber mit Schlussverkäufen. Für Winkelkötter gibt es da wenig schönzureden, für die "Multikrise", wie er das nennt, gebe es eben kein Patentrezept. Die höchste Millionärsdichte, das höre sich immer so schön an, sei aber eben nur eine Seite der Medaille. Was hilft? Vielleicht ja die Erkenntnis, dass man einiges auch vor Ort bekommt. Der Wirtschaftsförderer geht mit gutem Beispiel voran: Er habe nahezu alle Geschenke lokal eingekauft, sagt er.

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