1200 Jahre Berg:Acht, zwei, zwei, Perge kroch aus dem Ei

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Eine Urkunde - hier das Deckblatt einer Abschrift - besiegelte im Jahr 822 die Ortsgründung von Berg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Ostufergemeinde feiert dieses Jahr Jubiläum und dokumentiert ihr Gründungsdatum mit einer Schenkungsurkunde, die nun vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt wurde

Von Katja Sebald, Berg

Im Jahr 822 wurde der Ort Berg als "Perge" in einer Schenkungsurkunde erstmals erwähnt, deshalb feiert die Ostufergemeinde in diesem Jahr ihr 1200-jähriges Bestehen. Weil in der Urkunde auch eine Kirche genannt wird, gilt St. Johannes als älteste Kirche im Landkreis Starnberg. Aber wer hat eigentlich damals wem was geschenkt und vor allem: wann genau? Johannes Habdank, evangelischer Pfarrer in Berg, hat mit einigen lateinkundigen Mitgliedern seiner Kirchengemeinde die Urkunde aus dem sogenannten Cozroh-Codex übersetzt.

Er selbst habe sich in der Übersetzerrunde allerdings eher wie ein Nachhilfeschüler gefühlt, bekannte Habdank. Auch wenn der ehemalige Lateinlehrer Michael Sommer sprachliche Finessen klären konnte, so habe das Unterfangen doch vor allem von dem Ehepaar Geiger profitiert: Ruthild Geiger, promovierte Theologin, ist eine profunde Kennerin der frühmittelalterlichen Geschichte Bayerns. Ihr Mann Johannes, Architekt im Ruhestand, ist als Liebhaber alter Musik sehr versiert im Entziffern von Schriften. Weder die karolingische Minuskel noch die bei den mittelalterlichen Schreibern üblichen Abkürzungen stellten für die beiden ein Hindernis dar. "Es war gar nicht schwer", sagen beide übereinstimmend, in eineinhalb Stunden sei alles erledigt gewesen.

Für Ruthild Geiger, promovierte Theologin, und ihren Ehemann Johannes, Architekt im Ruhestand, stellte die Übersetzung der Urkunde kein Hindernis dar. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Schenkungsurkunde ist nicht im Original erhalten, sondern nur als Abschrift in zwei verschiedenen Fassungen. Beide befinden sich in dem handschriftlichen Codex, der von dem Mönch Cozroh als Leiter der bischöflichen Kanzlei und weiteren Schreibern in den Jahren 744 bis 848 angefertigt wurde und als früheste Urkundenüberlieferung des Bistums Freising gilt. Niedergeschrieben wurde eine Vereinbarung des Ehepaars Cotescalch und Ermanlind mit dem Freisinger Bischof Hitto, die "im April des VIIII. Jahres des ruhmreichen Jahres von Kaiser Ludwig in der 15. Indiction" getroffen wurde, also am 5. April 822. In der ersten Fassung der Urkunde heißt es: Cotescalch, der heute vermutlich Gottschalk heißen würde, überlässt "am Ort mit Namen Perge sein Erbe unverbrüchlich dem Hochstift Freising". Im Gegenzug erhält er "am selben Ort als Lehen vom Bischof eine Kirche mit fünf Eigenleuten und alles, was offensichtlich zu dieser Kirche gehört". Er muss sich jedoch verpflichten, dass auch dieser Besitz nach seinem Tod dem Freisinger Bischof zufällt. Gleichzeitig übergibt seine Gattin Ermanlind dem Bistum Freising "30 Tagwerk Land in dem Ort, der genannt ist Cotingun", also dem heutigen Gauting. Außerdem führt die Urkunde 24 namentlich genannte Zeugen auf.

Beim "Deal" zwischen den Eheleuten Cotescalch und Ermanlind mit dem Freisinger Bischof wurden fünf Hörige mitverschenkt.

Ruthild Geiger vermutet, dass die begüterten Eheleute Cotescalch und Ermanlind sich auf diesen "Deal" mit dem Bischof eingelassen haben, um einem Rechtsstreit zu entgehen. Nach der Absetzung des bayerischen Herzogs Tassilo III. durch Karl den Großen im Jahr 788 waren die Eigentumsverhältnisse vielerorts durcheinander geraten und das Bistum Freising bemühte sich nun darum, seine ursprünglichen Besitztümer wieder zu sichern, erläutert sie.

Während in der ersten Abschrift von "unam basilicam cum mancipiis quinque" die Rede ist, heißt das Kirchlein in der etwas ausführlicheren zweiten Abschrift "ecclesia". Auch werden hier die fünf Berger, die als "Hörige" mitverschenkt wurden, namentlich aufgeführt: Tagaperht, Albuuin, Herisuuind, Adalsuuind und Johan mussten fortan für Cotescalch und Ermanlind arbeiten. Als gesichert darf allerdings gelten, dass es sich bei der erwähnten Kirche nicht um den heute sichtbaren Bau handelte, sondern um einen - möglicherweise aus Holz errichteten - Vorgängerbau. Die mächtigen Bruchsteinmauern von St. Johannes Baptist stammen aus dem 12. Jahrhundert.

Mit der niedrigen halbrunden Apsis gilt das kleine Johanniskirchlein als eine der am ursprünglichsten erhaltenen romanischen Landkirchen weit und breit. Der Dachstuhl und das spitzbogige Portal an der Nordseite stammen aus spätgotischer Zeit. Um die Mitte des 17. wurde die Kirche "barockisiert": Man vergrößerte die Fenster, baute die Empore um und zog eine Zwischendecke ein. Aus Wessobrunn ließ man Mathias Schmuzer kommen, der den Raum mit einer besonders hübschen Stuckborte rund um den Ansatz der Apsis ausschmückte. Der Hofmarksherr dürfte der Stifter des noch erhaltenen Altars gewesen sein, der in einer Münchner Werkstätte angefertigt wurde. Heute steht im Zentrum dieses Säulenaltars eine Rokokofigur des Kirchenpatrons, die erst um die Mitte des 18. Jahrhundert von einem unbekannten Künstler geschaffen wurde. Spätestens seit 1814 war die Kirche von einem Zwiebeltürmchen bekrönt. Im Jahr 1867 ersetzten ihn die Aufkirchener Zimmerleute Andreas und Philipp Doll im Auftrag von keinem Geringeren als König Ludwig II. durch einen schindelgedeckten Spitzturm.

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