Kunst:Von Montagen und Bienen

Lesezeit: 3 min

Die Schondorfer Künstlerin Katharina Ranftl wagt sich an ein neues Figurenprojekt: Die Hobbyimkerin verwandelt Honigwaben in Skulpturen

Von Patrizia Steipe, Schondorf

Die "Montagsfiguren" sind ihr Markenzeichen. Sie haben ihr ihren Ruf als originelle Bildhauerin und viele Nachfolgeaufträge gebracht. Davon lebt die Künstlerin, die in Schondorf ein kleines Atelier im ehemaligen Häuschen des Fremdenverkehrsamts hat. Sie mag das kleine Zimmer, in das die Passanten durch das Schaufenster blicken und ihr beim kreativen Schaffen zuschauen können. Hier können allerdings aus Platzgründen nur kleine Objekte entstehen. Katharina Ranftl arbeitet deswegen noch woanders und widmet sich vor allem ihrem Studium an der Münchner Kunstakademie.

Die "Montagsfiguren" lassen sie aber auch heute nicht los. Vier Jahre lang hatte Katharina Ranftl jeden Montag eine neue Figur erschaffen, dazu eine kleine Geschichte erfunden, das Ganze im Internet begleitet und in die Auslage des Schondorfer Ateliers gestellt. Die witzigen Objekte trugen mal eine Sonnenbrille, dann wieder High-Heels, mal einen witzigen Hut oder ein gewagtes Outfit. Montags warteten bereits die Fans, um das neue Modell begutachten zu können. Für die Zaungäste hätte es ewig so weitergehen können, aber nach vier Jahren war für Katharina Ranftl der Zeitpunkt gekommen, um das Projekt zu beenden. "Ich wollte nicht auf die Figuren festgelegt werden, sondern wieder einmal etwas Neues machen". Ganz konnte sie mit den Figuren aber nicht aufhören. Ihre Fans drängten sie dazu, weiterzumachen. Immer wieder blieben Passanten vor dem Fenster ihres Ateliers in der Straße stehen und schauten wehmütig, ob nicht doch wieder eine neue Figur in der Auslage steht. Schließlich hat sich die Künstlerin erweichen lassen.

Als nächstes will Katharina Ranftl mit 3-D-Druck experimentieren. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Allerdings ist die Serie der "Montagsfiguren" endgültig beendet. Das neue Figurenprojekt hat sie "100 Girls out of Timber" genannt. Ein wenig größer sind die Figuren und aus Lindenholz. Ranftl lässt sich auch nicht unter Druck setzen. Eine neue Figur kommt, wenn sie eben fertig ist und am Ende gibt es eine große Ausstellung aller. Das war ihr mit den Montagsfiguren nicht gelungen. Da hatte sie viele schon vorher verkauft. "Ich muss ja von etwas leben", erklärt sie. Geschnitzte Figuren verkauft sie nach wie vor. Neben dem Vollzeitstudium fertigt sie im Durchschnitt zwei neue Figuren in der Woche an. "Ich habe Aufträge bis ins Jahr 2018", sagt sie. Meist dienen ihr Fotos als Vorlage. "Ich versuche festzustellen, was das Charakteristische dieser Person ist und orientiere mich an der Frisur und den Accessoires".

Im Rahmen des Kunststudiums beschäftigt sich Katharina Ranftl seit einiger Zeit jedoch mit einem anderem, experimentellen Kunstansatz, der in dieser Form wohl einzigartig ist. Dabei hat die Künstlerin geschätzte 50 000 Helfer. Es sind die Bienen der Hobbyimkerin, die in wochenlanger Fleißarbeit amorphe Wabenstrukturen aus Wachs schaffen. Die Idee zu den Wachsskulpturen hatte Ranftl, als sie an der Unterseite der Rahmen mit den Honigwaben dunkler gefärbte Wildwaben entdeckte. Die unregelmäßigen Strukturen, die weder als Vorratskammern für Honig noch zur Eiablage dienten, faszinierten sie. Bald kam die Idee, die Bienen bewusst zu einem solchen unregelmäßigen Wabenbauen zu animieren. Ranftl bot den Tieren verschiedenes Material wie einen Schaschlikspieß an und hoffte, dass sie anfangen, daran Waben anzubauen. "Das haben sie aber nicht angenommen". Erst als sie echte Waben, die sie um ein Basismodell gelegt hatte, in den Bienenstock tat, gelang das Experiment. "Die Bienen nahmen es schnell an und bauten virtuos weiter", staunte Ranftl. Immer wieder nahm sie das Wabenkunstwerk aus dem Stock, wendete es ein wenig und legte es zurück. So entstand allmählich das Kunstwerk. "Apis regina" hat sie das Ganze übertitelt und im Rahmen ihres Studiums der "Bildhauerei und Freien Kunst" an der Münchner Kunstakademie ausgestellt. "Man muss sich auf die Insekten einlassen, konventionelle Pfade verlassen, denn das Ganze ist nicht steuerbar", erklärte Ranftl.

Ihre neuen Skulpturen schafft die Künstlerin aus Bienenwaben. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bereits ihr Vater hatte Bienen, sie selbst hat vor einigen Jahren, als sie nach einem mehrjährigen Berlinaufenthalt an den Ammersee zurückgekehrt war, mit dem Hobby begonnen. Sie kümmert sich nun um drei Bienenstöcke. "Ich bin kein konventioneller Imker", erklärt sie. Ihren Tieren begegnet sie mit großem Respekt. So ersetzt sie nicht den kompletten Honig der Tiere durch Zuckerwasser. "Ich nehme nur den Überschuss", erklärt sie. Derzeit sind ihre Bienen in der Winterruhe. "Ab März oder April erwacht der Bautrieb". Darauf freut sich Katharina Ranftl bereits, denn sie hat schon viele Ideen für die Zusammenarbeit: "Ich habe Lust auf etwas Größeres."

Insekten üben auf die 1984 geborene Künstlerin eine besondere Faszination aus. 2008 hatte sich Katharina Ranftl sogar in Korea aufgehalten, "dort hatten die Insekten ganz andere Formate als bei uns", erzählt sie. In ihren Objektkästen, die sie mit verschiedenen kleinen Exponaten bestückt, sind sie ein wiederkehrendes Element. Schmetterlingsflügel, Wabenmuster auf der Haut einer Figur. Wie Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg liegt die wächsern schimmernde überdimensionale Hülle einer Bienenlarve. Um das fragile Kunstwerk zu schaffen, musste Ranftl zuerst ein Tonmodell anfertigen, dann baute sie die Silikonform, in die Wachs gegossen und dann das Ganze mit Papier überzogen wurde. Am Schluss wurde das Wachs dann ausgeschmolzen.

Als nächstes plant Katharina Ranftl, mit 3-D-Druck zu experimentieren. Aus gutem Grund: "Mich interessiert, ob sich etwa Ausstrahlung oder Seele eines Kunstobjekts verändert, wenn es von einer Maschine gemacht wird."

© SZ vom 07.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: