Kunst und Bier 2018:Verbundenheit mit schwerem Gerät

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Der Künstler Hubert Huber organisiert das Symposium "Kunst und Bier" seit 15 Jahren. (Foto: Arlet Ulfers)

Bei dem bekannten Symposium fertigen drei Holzbildhauer auf dem Heiligen Berg Skulpturen zum Thema "Bier" - unter den Augen der Besucher.

Von Astrid Becker, Andechs

Auch eine Säge braucht Freiheit. Darüber sind sich Katrin Hubl, Sabine Boczkowski-Sigges und Volker Steigemann schnell einig. Überhaupt strahlen die Drei eine Verbundenheit miteinander, aus die selten unter Menschen zu finden ist, die sich eigentlich nicht kennen. Eigentlich, weil Hubl und Steigemann sich schon einmal getroffen haben. Bei einem Holzsymposium in Finnland: "Da freut man sich, wenn man jemanden wiedersieht, den man schon mal irgendwo kennengelernt hat", sagt Steigemann. Der Ort, an dem er so spricht, ist der Heilige Berg in Andechs, genauer gesagt die Skulpturenwiese unterhalb des Bräustüberls, auf der die Drei mit furchteinflößendem Werkzeug hantieren. Denn sie sind Holzbildhauer, und eine Jury hatte sie in diesem Jahr auserwählt, um am Symposium "Kunst und Bier" teilzunehmen.

Das schwere Gerät, mit dem sie umgehen, besteht meist aus einer richtig großen Motorsäge. Auch die zwei Frauen unter den drei Künstlern führen es in ihren Händen, als ob es sich dabei um Leichtgewichte handeln würde. Wer nun nachfragt, ob ihnen das nicht irgendwann zu anstrengend wird, bekommt eine verblüffende Antwort: "Überhaupt nicht, denn das Gewicht liegt ja auf dem Holz." Das sagt übrigens Volker Steigemann - und die Damen nicken zustimmend. Die Chemie zwischen ihnen passt, und das ist es auch, was Hubert Huber die Arbeit erleichtert. Huber ist selbst Künstler und organisiert das Symposium von Anfang an, also seit 2002. 15 Jahre lang wurde es von der Georg-Zentgraf-Stiftung getragen. In diesem Jahr tritt zum ersten Mal das Kloster Andechs als Veranstalter auf. Zu verdanken sei dies maßgeblich dem dortigen kaufmännischen Geschäftsführer, Christian Rieger, sagt Huber: "Er wollte unbedingt, dass es damit weitergeht, weil Bier zum Kloster gehört, ebenso wie die Kunst."

Sabine Boczkowski-Sigges will mit ihrem Werk "I mog Di" ein Zeichen setzen. (Foto: Arlet Ulfers)

Dem kann man schwerlich widersprechen. Nicht nur der klostereigenen Brauerei wegen. Denn da ist ja beispielsweise auch noch die Klosterkirche mit ihren Deckenfresken und ihrem Hochaltar, die von Johann Baptist Zimmermann (1680 - 1758) geschaffen worden sind. Jeden Morgen, so erzählt denn auch Sabine Boczkowski-Sigges, gehe sie nach ihrem Waldlauf und ihren Karateübungen in diese Kirche, nicht, weil sie dort beten wolle, wohl aber, weil sie die so schön finde und die Stille dort genieße. Die Künstlerin aus Norderstapel in Schleswig-Holstein war 2013 schon einmal beim Symposium "Kunst und Bier" dabei. In diesem Jahr ist sie kurzfristig eingesprungen, weil sich der Armenier Hayk Tokmajyan wegen einer Verletzung an der Hand absagen musste. Ihren Beitrag hat sie mit "I mog Di" überschrieben. Er besteht aus drei Teilen, einem Hochzeitspaar, einer Torte und einem Bierkrug. Sie sagt dazu: "Wenn wir die Gesellschaft und die Kriege in unserer Welt sehen, könnte ein 'I mog Di' schon eine hilfreiche Botschaft sein. Denn nur wer andere mag, mag auch sich selbst - und vieles, was geschieht, liegt wohl daran, weil sich die Leute selbst nicht ausstehen können." Auch ihr gelinge das nicht immer, erzählt sie.

Katrin Hubl kennt das recht genau. Sie kommt aus dem fränkischen Oerlenbach und ist von der Schönheit der Natur fasziniert. Beim Thema Bier sind es vor allem die Hopfenzapfen, die es ihr angetan haben - und deshalb widmet sie ihnen auch ihre Skulptur beim Symposium. Aus einem massivem Stamm arbeitet sie dabei Blätter und Zapfen des Hopfens so heraus, dass sie räumlich zueinander stehen und ihre Leichtigkeit betont wird. Um Natur geht es auch bei Volker Steigemann, der in Seefeld geboren wurde, aber schon seit 38 Jahren in Kanada lebt. Sein Werk hat er "Bierblumen-Wirbel" genannt. Dabei sprießen aus einem Bierfass einige Zweige, die sich gen Himmel recken und die gebogenen Ähren der Sommergerste symbolisieren sollen.

Der Holzbildhauer Volker Steigemann kommt gebürtig aus Seefeld, lebt aber mittlerweile in Kanada. (Foto: Arlet Ulfers)

Auch Steigenberger kennt das Gefühl, nicht zufrieden mit sich zu sein: "Bei mir ist da dann einer im Kopf, es ist, wie jemand, der neben mir steht und zu mir sagt: Was hast Du denn da gemacht? Das ist ja gar nichts." Als er das ausspricht, schleicht sich Erleichterung über die Gesichter der beiden Künstlerinnen. "Bin ich froh, dass das endlich mal einer sagt", meint Sabine Boczkowski-Sigges. Und auch Katrin Hubl ist mit der "Gestalt" in ihrem Kopf wohlvertraut, die sie immer wieder tadele oder niedermache. Anstrengend sei das manchmal, und verlange einem viel ab. Viel mehr, als sich viele vorstellen könnten. Das Leben als Künstler bringe viele Entbehrungen mit sich: "Soziale Kontakte beispielsweise sind schwierig. Wenn andere Bier trinken gehen, ist mir das zu viel, das raubt mir die Energie, die ich für meine Arbeit brauche", sagt sie. Allein sein und mit sich selbst zurecht zu kommen, das sei unbedingt nötig, um ein Leben als Künstler zu führen: "Bei mir nimmt das mönchische Formen an", sagt sie dann noch. Und wieder nicken alle zustimmend. Vielleicht ist das der Grund, warum sie sich an diesem Ort so wohl fühlen, unterhalb eines Klosters. Denn auch darüber sind sie sich einig: "Ein ganz besonderer Platz." Und einer, an dem sie Gleichgesinnte treffen. "Künstler verstehen einander." Aber auch viele andere Menschen kommen vorbei, schauen ihnen bei der Arbeit zu und stellen Fragen. Auch das genießen sie an diesem Ort, den Austausch mit anderen, das Interesse für ihre Arbeit, das diese zeigen, wie die Drei sagen: "Das ist hier wirklich schön." Genauso wie den ganzen Tag konzentriert arbeiten zu können. Ohne Bürokram erledigen zu müssen, sich ganz der Kunst hingeben zu können: "Das ist die Freiheit, die wir brauchen." Denn nur dann findet auch die Säge ihren Weg.

Noch bis zum 28. August können Besucher des Heiligen Berges den drei Künstlern bei der Arbeit zusehen: täglich von 10 bis 17 Uhr.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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