Kunst:Eine Mülltonne für die Angst

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Alles andere als finster drauf: Viel Spaß hatten Künstler, Musiker und Besucher bei der Vernissage zur Ausstellung "Solidarität" in der Sparkasse. (Foto: Georgine Treybal)

Eine Ausstellung in der Kreissparkasse Starnberg zeigt, wie Kunst zur Therapie von seelischen Störungen eingesetzt werden kann

Von Katja Sebald, Starnberg

So viel Leben hat das Foyer der Kreissparkasse wohl lange nicht mehr gesehen: Eine überbordende Kunstausstellung und ein ebenso überbordendes Vernissagenbuffet, eine Band und dazu noch eine Percussion-Gruppe, Infostände und Mitmachaktionen. "Etwas ganz Buntes ist entstanden", freute sich denn auch am Dienstagabend Regina Klusch vom Arbeitskreis Gemeindepsychiatrie des Landkreises, bei der alle Fäden für die Organisation der Ausstellung "Solidarität" zusammenliefen. Beteiligt waren an der Aktion zum Tag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober zahlreiche soziale Einrichtungen und Schulen sowie Mitglieder des Kunstvereins Gauting.

Der Arbeitskreis Gemeindepsychiatrie besteht seit 2008, Ziel ist es, die Versorgung von Patienten zu verbessern und die verschiedenen Einrichtungen im Landkreis zu vernetzen, erläuterte Klusch. Nicht zuletzt gehe es aber darum, der Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen entgegen zu wirken. Längst gehören mentale Störungen zu den häufigsten Beratungsanlässen in allgemeinmedizinischen Praxen. Experten bezeichnen Depressionen, Suchterkrankungen, bipolare Störungen und Schizophrenien als Volkskrankheiten, dennoch sind sie immer noch ein gesellschaftliches Tabuthema. "Wenn jemand eine Knieverletzung hat, fragt man nach seinem Befinden, aber über eine seelische Krankheit spricht man nicht", sagte denn auch Landrat Karl Roth, der die Ausstellung offiziell eröffnete und sich bei allen Beteiligten bedankte. Das Thema komme nur langsam aus der Tabuzone heraus, er sei deshalb immer "mit einem Ohr und einem Auge dabei", wenn es um den Arbeitskreis Gemeindepsychiatrie gehe.

Im Zentrum der Ausstellung stehen jedoch weniger die Krankheiten als die Strategien zu ihrer Bewältigung. Eine große Rauminstallation fasst das Thema sehr eindrücklich zusammen: Hinter einem Liegestuhl steht eine schwarze Mülltonne, ihre Beschriftung weist darauf hin, was man in ihr entsorgen darf - Krankheit, Einsamkeit, Hass, Angst, Trauer, aber auch falsche Freunde und schlechte Nachrichten. Über dem Liegestuhl aber ist ein heller Sonnenschirm aufgespannt, der mit Wünschen für die Zukunft beschriftet ist: Freundschaft, Lachen und Humor, auch Arbeit und Geld sind dabei, ebenso wie eine Leberknödelsuppe und ein guter Kaffee.

Daneben gibt es aber auch unzählige kleinere Kunstwerke, die auf berührende Weise zum Ausdruck bringen, welche Bedeutung kreatives Schaffen für Betroffene haben kann: Nicht immer sind es düstere Bilder, es gibt auch farbenfrohe Sehnsuchtslandschaften, Blumenstilleben und expressiv-abstrakte Kompositionen. Auf einem Tisch stehen unzählige Barbiepuppen in Kostümen von Märchenfiguren und am Rand einer Zeichnung mit schwarzen Tuscheornamenten steht der Satz: "Man vergisst die Welt um sich herum."

Eine fünfte Klasse der Fünfseen-Schule hat, angeregt durch die Arbeiten des Bildhauers Alberto Giacometti, ausdrucksstarke "Silber-Skulpturen" angefertigt. Eine elfte Klasse am Gymnasium Weilheim hat das Thema im Rahmen des Projekts "Gemeinsam stark gegen Depressionen" ebenfalls künstlerisch umgesetzt und mit Plastilin-Figuren Szenen nachgestellt, in denen zwischenmenschliche Hilfe notwendig ist: Zwei "gesunde" blaue Männchen helfen einem "kranken" grauen Männchen, das den Boden unter den Füßen verloren hat oder von der Flasche wegkommen will. Wo sie es berühren, färbt das lebensfrohe und heilende Blau ab. Für die Präsentation wurden die plastischen Szenen abfotografiert und auf Leinwände gedruckt. Eindrucksvolle Arbeiten haben auch einige Mitglieder des Gautinger Kunstvereins für das Projekt eingereicht: So zeigt etwa der Grafiker und Buchdrucker Stefan Feigl eine Radierung, in der Licht am Ende eines Tunnels aufscheint, und der Grafikdesigner und Illustrator Bernd Wiedemann ein großes Portrait von König Ludwig II.

Beeindruckend waren auch die Musik der Band "Barrierefrei" und der Auftritt der Percussiongruppe des Sozialpsychiatrischen Dienstes Starnberg. Und beeindruckend war nicht zuletzt die Fülle der Speisen, die Schüler des Sonderpädagogischen Förderzentrums der Fünfseen-Schule für die Vernissage zubereitet hatten. Die Ausstellung "Solidarität" ist noch bis zum 27. Oktober 2017 im Foyer der Kreissparkasse zu besichtigen.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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