Demonstrationen:Kreativer Protest

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(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Viele Menschen demonstrieren auch im Fünfseenland gegen Rechtsextremismus. Viele haben zum Teil fantasievoll gestaltete Plakate dabei. In Seefeld wurden die besten Schilder ausgezeichnet.

Von Franz Xaver Fuchs und Tim Pohl, Seefeld

Etwa 1000 Menschen haben sich nach Angaben der Polizei am Samstag auf dem Marienplatz in Seefeld versammelt, um gemeinsam gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Es ist nur eine von vielen Kundgebungen im Fünfseenland in diesen Tagen. Zuvor hatten sich am Freitagnachmittag auf dem Marktplatz in Gilching etwa 500 Personen versammelt, in Gauting waren es mehr als 100. Anlass war dort jeweils, dass ein Infomobil der rechtspopulistischen AfD in den Orten Station machte.

Zum gemeinsamen Kampf gegen die menschenverachtende Politik von rechten Kräften hatten die Fraktionen im Gilchinger Gemeinderat und die Schülermitverantwortung des Christoph-Probst-Gymnasiums aufgerufen. Außer Mitorganisator Christian Winklmeier (SPD) und Bürgermeister Manfred Walter (SPD) sprach auch Landrat Stefan Frey (CSU) unter dem Beifall der Menge auf dem Rathausplatz von der Notwendigkeit, allen Angriffen auf die demokratische Grundordnung mit Macht zu begegnen. Das Erstarken von rechtsextremistischen Kräften und die in der vergangenen Zeit zu beobachtenden besorgniserregenden politischen Entwicklungen machten es notwendig, "konsequent für den Erhalt und den Schutz dieser Demokratie einzustehen", rief Walter, und weiter: "Lassen Sie uns dafür kämpfen, hier auf der Straße, in unseren Familien, an den Stammtischen, in den Vereinen und am Arbeitsplatz".

Im Vorfeld der Kundgebung in Seefeld hatten die Veranstalter dazu aufgerufen, möglichst kreative Schilder zu basteln. Fünf davon wurden am Ende des Demonstrationszuges ausgezeichnet. Gespräche mit den kreativen Demonstranten zeigen, wie divers die Motivationen sind, um gegen den Rechtsruck auf die Straße zu gehen.

Bärbel Seibold (Foto: Arlet Ulfers)

Bärbel Seibold, 59 Jahre, Hechendorf: "Ich bin heute hier, weil ich das Menschenrecht der Inklusion verteidigen möchte. Ich bin Inklusionsbeauftragte in der Gemeinde Seefeld und betroffene Angehörige. Meine Tochter ist schwerbehindert. Björn Höcke hat in seinem Sommerinterview angekündigt, dass er die schulische Inklusion abschaffen möchte. Im Wahlprogramm der AfD wird frei über die Ausgrenzung von behinderten Menschen gesprochen.

Wir alle haben in Erinnerung, was im Dritten Reich mit behinderten Menschen angestellt wurde. Sie wurden als Versuchsobjekte für Medikamententests eingesetzt und im Zuge der Euthanasie ermordet. Ich habe furchtbare Angst, dass so etwas wieder passieren könnte, wenn die AfD an die Regierung kommt. Deswegen müssen wir jetzt Stellung beziehen.

Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Inklusion in Deutschland auch weiterhin gefördert wird. Das kann nur in einer Demokratie funktionieren, wo alle gleichberechtigt am Leben teilhaben können. Inklusion fängt im Kopf an. Inklusion ist kein Hirngespinst, sondern eine Haltung, die unsere Werte in Deutschland unterstreicht."

Linus und Lovis (Foto: Arlet Ulfers)

Linus und Lovis (beide elf Jahre alt): "Unser Plakat soll zeigen, dass wir uns die Nazis dahin wünschen, wo sie die Erde nicht mehr zerstören und niemanden ärgern können: auf den Mond. Uns macht es Angst, dass sich die AfD mit Neonazis trifft und mit ihnen gemeinsame Sache macht. Wir haben in der Schule schon viel über den Holocaust gelernt. Man bekommt Angst, wenn man darüber nachdenkt, dass so etwas wieder passieren könnte. Deswegen wollten wir etwas dagegen tun. Es geht hier immerhin um unsere Zukunft.

Wir waren auch schon auf der großen Demonstration in München mit dabei. Das war ein sehr krasses Gefühl. Da waren so viele Menschen, und alle Plätze waren voll. Damit konnte ein tolles Zeichen gesetzt werden, auch wenn die Demonstration dann abgebrochen wurde.

Wir sind auch außerhalb von Demonstrationen aktiv. Wir werden bald Botschafter für die Organisation "Plant for the Planet". Wir werden dann Vorträge über den Klimaschutz halten und erklären, warum es wichtig ist, möglichst viele Bäume zu pflanzen."

Christoph Sponner (Foto: Arlet Ulfers)

Christoph Sponner, 65 Jahre, Wörthsee: "Ich bin mit meinen 65 Jahren vor zwei Wochen das erste Mal auf eine Demonstration gegangen. Das war in München auf der Demo gegen Rechts. Ich stand direkt am Siegestor und hatte die Menge hinter mir. Das war so ein irres Gefühl, das wollte ich heute wiederholen. Hier ist es viel regionaler und man sieht immer wieder bekannte Gesichter. Das ist sehr schön.

Auf die Straße getrieben hat mich die politische Situation. Die Recherche von "Correctiv" hat das Fass letztendlich zum Überlaufen gebracht. Und da meine Kinder mit Enkelkindern und dem Beruf eingespannt sind, habe ich mit meiner Frau gesagt: Jetzt sind Oma und Opa dran.

Ich wünsche mir, dass die Menschen durch die Demonstrationen wachgerüttelt werden. Ich selbst bekomme im Alltag keine Diskriminierung mit, da bin ich sehr behütet. Ich denke, das ist ein generelles Problem: Wenn niemand es mitbekommt, denken alle, dass es sie nicht betrifft. Durch die Demonstrationen wird das Problem jetzt aber sichtbar. Deswegen dürfen es ruhig auch noch mehr werden."

Seefeld Marienplatz *Nie wieder ist jetzt: Demo in Seefeld* Die fünf kreativsten Schildermaler und ihre Geschichte. Umfrage. Nepomuk Valentin Maier (Foto: Arlet Ulfers/Arlet Ulfers)

Nepomuk Maier, acht Jahre: "Mit meinem Schild will ich zeigen, wie kacke die AfD ist. Sie will, dass Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten müssen, draußen bleiben. Aber wir wollen, dass sie zu uns kommen, weil sie hier gut aufgehoben sind. Wenn die AfD regieren würde, dann würde sie die Leute wegschicken und noch andere Sachen machen, die nicht so cool sind. Davor habe ich ein bisschen Angst und rede mit meinen Eltern darüber. Gemeinsam haben wir das Schild gemacht.

In der Schule setze ich mich manchmal für Mitschüler ein, die nicht aus Deutschland kommen. Ich habe eine sehr gute Freundin, die Muslima ist; die mag ich wirklich gerne. Und bei meiner Oma im Haus sind vor Kurzem Ukrainer eingezogen. Da habe ich mich direkt mit der großen Tochter angefreundet."

Ildiko Gaal- Baier (Foto: Arlet Ulfers)

Ildiko-Gaal Baier, 60 Jahre, Seefeld: "Mit meinem Plakat möchte ich zeigen, dass Umwelt- und Klimaschutz auf demokratische Parteien angewiesen ist. Die AfD ist definitiv keine demokratische Partei. Sie leugnet sogar den Klimawandel.

Ich engagiere mich schon lange für den Umweltschutz und die Demokratie. Ich bin für den Bund Naturschutz aktiv und war auch schon mit "Fridays for Future" auf der Straße, um für mehr Klimaschutzmaßnahmen zu protestieren. Daher war es für mich eine logische Konsequenz, heute mit dabei zu sein.

Ich habe die Entwicklungen rund um die AfD sehr lange sorgenvoll beobachtet, schon weit vor der jetzt veröffentlichten "Correctiv"-Recherche. Ich habe Angst davor, was passieren könnte, wenn die AfD mehr Macht bekommt. Da ich einen Migrationshintergrund habe, wäre ich von den antidemokratischen Maßnahmen direkt betroffen. Die Demonstrationen, die gerade im Land stattfinden, machen Mut, dass man nicht alleine ist. Und sie bringen Hoffnung, dass wir gemeinsam diese gefährliche Entwicklung stoppen können."

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