Kultur:Übermalte Sequenzen

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Christian Wahl zeigt in Herrsching neu gestaltete Fotomotive aus Venedig und New York in Bildern und Collagen. Christian Grundler präsentiert dazu Haikus und Gedichte

Von Katja Sebald, Herrsching

Das ehemalige Ladengeschäft in der Herrschinger Seestraße 3 heißt "Der Raum". Es kann von Künstlern temporär angemietet werden und gibt ihnen die Möglichkeit, sich ganz ohne Galerist und Kurator zu präsentieren. Christian Wahl aus Dießen nutzt den Raum für eine Ausstellung seiner Bilder, Skulpturen und Objekte. Zudem hat er dort eine "Ateliersituation", wie er es nennt, nachgebaut und will während der Öffnungszeiten an dem großen Tisch im Schaufenster arbeiten. Und weil das noch nicht genug ist, hat er auch noch seinen Nachbarn Stephan Grundler dazu gebeten. Der präsentiert seine Haikus und Gedichte auf Zetteln und Tafeln überall dort, wo noch ein Fleckchen Wand, Regal oder Tisch frei war.

Christian Wahl absolvierte ursprünglich ein Musikstudium, bevor er sich der Bildenden Kunst zuwandte. Vielleicht kann das als Erklärung dafür dienen, dass er sich so unbekümmert mit Übermalungen beschäftigt - obwohl dieser künstlerischen Vorgehensweise nach und neben dem großen Übermaler Arnulf Rainer wirklich nichts mehr hinzuzufügen ist. Wahl verfolgt das Thema nach eigener Aussage seit 25 Jahren. Seither entstehen unterschiedliche "Sequenzen".

In Herrsching zeigt er unter anderen eine Bildserie, die er mit "Café Venezia" überschrieben hat. Ausgangspunkt war der Bildband "Venedig in historischen Photographien", den er in einem Antiquariat entdeckt hatte. Das erste Exemplar übermalte er direkt im Buch, ein zweites kaufte er im Internet. Aus diesem ließ er eine Auswahl von Fotografien im großem Format auf Leinwände drucken, die er nun in Anlehnung an die zuvor entstandenen Skizzen übermalte. Bestimmender Farbton ist ein kühles Ultramarinblau, mit dem das ursprüngliche Bildgeschehen zum Teil großflächig abgedeckt wurde. Es lässt architektonische Details ebenso verschwinden wie Menschenansammlungen, bis zuletzt nur übrig bleibt, was Wahl für seine eigene Erzählung wichtig erscheint. Das können Passanten beim Taubenfüttern sein, ein Kind am Ufer oder auch die Stege, die bei Hochwasser aufgestellt werden. Ein Bild von den Arkaden am Dogenpalast hat er gleich dreimal ausgedruckt, unterschiedlich übermalt und zu einem Triptychon montiert.

Die Fotomotive mit Straßenszene aus New York stammen aus dem Internet. Für eine weitere "Sequenz" mit dem Titel "Anatomische Tatsachen" dienten Abbildungen aus einem Anatomiebuch als Ausgangsmaterial. Wahl hat sie zu Collagen zusammengefügt und durch eigene Zeichnungen ergänzt. Auch Tapetenreste oder Servietten werden übermalt. Und in der Serie "Seltsame Träume des Herrn W." beschäftigt er sich auf skurrile Weise mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche.

"Mit einer Geiß an Bord / überquert das Boot den Fluß / durch den Morgennebel", so lautet einer der Haikus, die Stephan Grundler zu dieser Ausstellung beigetragen hat. Texte und Bilder stehen in keinem Zusammenhang, betonen beide Künstler. Die Anordnung der Texttafeln sei zunächst rein zufällig gewesen, dann habe man aber hier und da umarrangiert, um ein "Spannungsfeld" zwischen den verschiedenen Exponaten entstehen zu lassen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 1. Dezember 2019 von Montag bis Donnerstag von 14 bis 18 Uhr und am Freitag, Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Zur Finissage am 30.11.2019 liest Stephan Grundler ab 19 Uhr Haikus und Gedichte.

© SZ vom 25.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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