Kultur:Rares für Bares

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Fast schon impressionistisch: Wen-Sinn Yang, Laura Szabo, Paola De Piante und François Bastian (v.li.) beim Auftritt in Gauting. (Foto: Nila Thiel)

Cellist Wen-Sinn Yang und seine Mitstreiter setzen bei ihrem Benefizkonzert im Bosco auf selten zu hörende Werke von Schumann bis Gretschaninow und überzeugen mit höchst variantenreichem Spiel

Von Reinhard Palmer, Gauting

Jede gemeinnützige Organisation lebt von ihren Mitgliedern, doch noch mehr von ihren prominenten Fürsprechern. Asia Deutschland, der in Gauting residierende Förderverein mit Projekten vor allem in Tibet und der Himalaya-Region, hat den Cellisten und Sympathieträger Wen-Sinn Yang hinter sich, der dem Verein bei der Organisation des alljährlichen Benefizkonzerts zugunsten des jeweils aktuellen Projekts unter die Arme und am Konzertabend auch selbst zum Bogen greift.

So kommt es, dass die Asia-Benefizkonzerte seit Jahren schon ein musikalisches Ereignis sind, mit erstklassigen Musikern, die auf ihre Gagen verzichten. So standen die Chancen sehr gut, dass die letzten Arbeiten an Schulhaus und seinen Betreuungseinrichtungen in der Gebirgsregion Kyichu auf 4400 Metern Höhe bald finanziert sind. Asia International mit dem Hauptsitz in Rom kann also mit einer starken deutschen Sektion sein 30-jähriges Bestehen begehen.

Bedauerlicherweise hatte sich Ana Chumachenco offenbar den Arm gebrochen und musste kurzfristig absagen. Doch mit einem charmanten Unterstützer wie Yang kein unlösbares Problem: Hochkarätige Neuzusagen waren sogleich erteilt. Ganze sieben Musiker sind es letztendlich geworden, die plan- und außerplanmäßig Raritäten auftischten. Schon zur Eröffnung gab es Exotik: Schumanns Andante und Variationen für zwei Klaviere, zwei Celli und Horn op. 46 von 1843 ist in dieser Besetzung ein geradezu singuläres Werk. Zudem ein gewagtes Klangexperiment, das allerdings schon nach wenigen Takten entschärft war: Schumann schrieb ein Klavierdoppelkonzert mit einem seltsam anmutenden Miniorchester, das vor allem die einfühlsamen Farbfolien hinter der poetischen Schwärmerei ausbreitete.

Richtig orchestral wurde es erst in den intensiven Verdichtungen. Während das Klavierduo Paola De Piante Vicin und Adrian Oetiker an zwei Flügeln im erzählerischen Auf und Ab feinsinnige Charaktervariationen kreierte, übten sich Yang, Laura Szabo (Violoncello) und François Bastian (Horn) in behutsamen Farbklangmixturen, die Schumann eine geradezu impressionistische Konzeption nachwiesen. Auch wenn sein Adagio und Allegro op. 70 für Horn und Klavier nicht minder warm im Ton und empfindsam begann, demonstrierten Oetiker und Bastian sogleich den Unterschied zum Zeitgerechten mit der Klangsprache der Romantik.

Klangsinnlichkeit blieb aber auch Thema insbesondere in der ersten Konzerthälfte, die eben nicht von ungefähr in der Sonate für Violoncello und Klavier von Debussy, dem Impressionisten schlechthin, kulminierte. De Piante Vicin und Yang fokussierten diesen Aspekt. Bei der Vielfalt an Erfindungen war das schon eine große Herausforderung: das Kontrastprogramm mit durchgehendem Spannungsbogen zu fassen. Die Homogenität des Duos überraschte angesichts der kurzen Vorbereitungszeit, ist doch die Wanderung von der kraftvollen Feierlichkeit des Auftakts über zart tönende Elegien und bluesige Heiterkeit bis hin zum nachdrücklichen Höhepunkt schon eine kleine Weltreise. Im Grunde knüpfte im Finale auch Ravels "La Valse" - ein "Poème chorégraphique" für Orchester - in der Version für zwei Klaviere an dieses Konzept an, doch innerhalb eines begrenzten harmonisch-melodischen Vokabulars. Das Duo De Piante Vicin und Oetiker tarierte die dissonanten Klangmixturen sorgfältig aus, formte satte Fülle in wuchtigen Ausbrüchen und nahm sich auch klangschön zurück, wenn es um vergnügte Leichtigkeit ging, ohne jedoch jemals die charmante Walzerseligkeit zu vernachlässigen.

Zu den Raritäten des Abends zählte zweifelsohne auch Hummels Introduktion, Thema und Variationen über ein russisches Lied "Die schöne Minka" op. 78 für Flöte (András Adorján), Violoncello und Klavier (Michael Schäfer). Nach einem schönharmonischen Gesang in der Exposition des Themas folgten auch hier reichhaltige Klangfarb- und Charaktervarianten: mal tänzerisch, mal verspielt, dramatisch, furios oder mysteriös. Adorján setzte aber noch eine Überraschung drauf, die gar nicht auf dem Programm stand, und präsentierte mit Schäfer am Klavier die 1902 entstandenen "15 baschkirischen Melodien" des zweifelsohne zu Unrecht vernachlässigten russischen Komponisten Alexander Gretschaninow. Im Grunde ging es auch hier darum, aus dem Vollen zu schöpfen, sodass die 15 Melodien die Charakteristik der vorangegangenen Variationszyklen vergleichbar reichhaltig anführten. Die vielen Zuhörer zeigten sich begeistert.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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