Kultur:Mehr Schwung!

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Dynamisch: Cellist Jakob Spahn beim Unterrichten. (Foto: Georgine Treybal)

Die Meisterkurse der Musiktage

Von Gerhard Summer, Starnberg

Jakob Spahn hält es nicht mehr auf seinem Stuhl. Er nimmt sein Instrument in die Hand und stellt sich links neben seine Schülerin, geht in die Knie, richtet sich auf, spielt ihr eine Passage vor. Er ruft "Schwung, wieder Schwung, nochmal, ja, wunderbar, wunderbar", steht auf einmal schräg da, als wolle er der Schwerkraft trotzen. Er sieht jetzt fast aus wie die chaplineske Karikatur eines Cellisten: ein jugendlich wirkender, schlaksiger Mann im langen weißen Hemd und in Jeans, der mit ganzem Einsatz unterrichtet. Er singt: "Behrim ba bamm". Oder: "Di da, ra da dim da". Er sagt: "So viele klangliche Unterschiede, wie du kannst, denk an Florestan und Eusebius". Oder: "Den Arm fallen lassen, entspannen, lass den Bogen laufen." Und natürlich: "Es muss alles klingen, auch kurze Noten". Er und die junge Cellistin mit Pferdeschwanz haben längst rote Backen.

Donnerstagnachmittag, ein Rundgang durch die Munich International School. Wer an den ineinander verschachtelten Gebäuden vorbei geht, der könnte glauben, die Schule in Percha habe sich in eine Musikakademie verwandelt. Aus den offenen Fenstern flötet, tiriliert und brummt es. Im großen, gespenstisch leeren Vorlesungssaal stehen der Bratschist Roland Glassl und seine Schülerin aus Hongkong auf der Bühne, die junge Frau hat sich Stellen aus dem Violakonzert von Carl Stamitz und aus Smetanas Oper "Die verkaufte Braut" vorgenommen. In einer kleinen Turnhalle mit Dachschräge und Spiegelwand probt ein zehnköpfiges Kammerorchester den zweiten Satz von Joseph Suks "Serenade". Dirigent Benjamin Lack gibt seine Anweisungen in einem Mischmasch aus Englisch und Deutsch, gelegentlich mit italienischen Sprengseln. Zwischendrin kommt er zu dem Schluss: "Gut, man erkennt die Musik, das ist schon mal wichtig." Und im ersten Stock sind mehr oder minder simultan Stellen aus Schumanns Cello- und Tschaikowskys Violinkonzert zu hören. In den hintereinander liegenden Räumen geben nämlich Spahn und Rudens Turku, der künstlerische Leiter des Klassikfestivals, ihre Workshops. Turkus Vater Fagu wiederum kümmert sich um die ganz jungen Talente im Alter zwischen sieben und elf Jahren. Und Fagu Turkus Ehefrau ist für die Besucher da, die 16. Musiktage sind auch so etwas wie ein Familienunternehmen.

Schade nur, dass zumindest an diesem Tag die Instrumentalisten so gut wie unter sich bleiben. Denn diese eigentlich öffentlichen Meisterkurse sind die einmalige Gelegenheit, einen Entstehungsprozess zu erleben: Aus einer Aneinanderreihung von Noten und Pausen erwächst mit einem Mal etwas, das Sinn ergibt, klar ist, berührt und mitreißt, nur weil der Lehrer die Bogenführung korrigiert und auf Akzente und Artikulation aufmerksam macht ("kein portato, sondern legato"). Oder an die Doppelnatur von Schumanns Werk erinnert, der sich als Phantasiefiguren den wilden Florestan und den milden Eusebius erschaffen hatte. Und ganz simpel darauf verweist, dass es schlechte Notenausgaben gibt und die Urtext-Version dieses Konzerts empfehlenswert ist. Man hört sozusagen dabei zu, wie die Musik die Jogginghose abstreift und Frack oder Abendkleid anlegt. Das funktioniert in diesem Fall so gut, weil die Dozenten erlesen sind und ihre Schüler auf hohem Niveau spielen. Glassl beispielsweise hat als Solist schon mit Sir Colin Davis zusammengearbeitet, Spahn ist Solocellist der Bayerischen Staatsoper, Lack leitet Symphonieorchester, Vokalensemble und Chor des Vorarlberger Landeskonservatoriums und ist künstlerischer Chef des Bregenzer Festspielchors. Und ihre Schüler, insgesamt 44 an der Zahl, sind Jung- und Meisterstudenten, hochbegabte Musiker allesamt, die schon wichtige Wettbewerbe gewonnen haben. Gabriele Ceci beispielsweise, der gerade bei Turku vorspielt, ist Konzertmeister des Teatro Piccinni in Bari.

Wer sich ein paar Stunden durch diverse Meisterkurse hört, wird am Ende zwei, drei wichtige Merksätze mitnehmen, die wohl jeder Musiker kennen sollte. Rudens Turku beispielsweise sagt, ganz ähnlich wie Jakob Spahn: "Love every note." Oder: "Perfektion kann auch langweilig sein." Und: "Bevor man sich festlich anzieht, sollte man sich waschen." Er meint damit: Diese Passage muss erst einmal geübt werden.

Auf dem Programm der 16. Musiktage stehen noch zwei Konzerte: ein Benefizabend in Tutzing (Samstag, Roncallihaus, 20 Uhr) und das Finale in Starnberg (Sonntag, Schlossberghalle, 11 Uhr).

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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