Kultur:Locker, frisch und unverkrampft

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Die Tutzinger Schulen beteiligten sich am Freitagabend rege an der Kulturnacht, wie hier die Klasse 4b der Grund- und Mittelschule, die das Publikum mit gesanglichen Darbietungen erfreute. (Foto: Arlet Ulfers)

Bei der Tutzinger Kulturnacht sorgen fast tausend Mitwirkende vor und hinter den Bühnen für ein "überreiches Angebot", wie Vize-Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg sagt

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Von dieser Kulturnacht in Tutzing hat sich Manfred Kurz tatsächlich ein Stück mit nach Hause genommen. Der 62-jährige Tutzinger ersteigerte am Samstag ein großes Porträtfoto samt Signatur von Peter Maffay. Das Bild hatte der Rockstar und Tutzinger Ehrenbürger zugunsten des Ökumenischen Unterstützerkreises für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. CSU-Gemeinderat Thomas von Mitschke-Collande animierte im Roncallihaus gut gelaunt die Gäste der Eröffnungsveranstaltung, nach amerikanischer Versteigerungsmanier ihr Gebot in Fünf-Euro-Schritten zu steigern.

Für den guten Zweck zückte Bürgermeister-Kandidatenanwärter Claus Piesch ebenso Scheine wie Hausherr Pfarrer Peter Brummer. Bei 380 Euro gab der Auktionator den Zuschlag - für einen echten Ultra-Maffay-Fan. Kurz will das Bild seiner Frau Dorit schenken, die im Rollstuhl sitzt. Das Paar hat Maffay vor 30 Jahren bei einer Signierstunde kennengelernt. Als die beiden geheiratet haben, machte Maffay den Trauzeugen. "Ich hätte auch 2000 Euro hingelegt", bekennt ganz offenherzig der glückliche Neu-Besitzer eines künstlerisch doch eher schlichten Fotos nach der Übergabe. Nur gut, dass Mitschke-Collande das nicht gehört hat... Dann muss man auch los. 23 Veranstaltungen - Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Führungen - locken an zwölf Orten bis Mitternacht. Das ist zum 14. Mal eine "Erfolgsgeschichte mit überreichem kulturellen Angebot", wie Vize-Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg eingangs würdigte. Knapp tausend Mitwirkende von vier bis 90 Jahren dürften es sein - vor und hinter den Bühnen. Ein Spiegel der Vielfalt und auch "der lebendigen aktiven Bürgerschaft" in der Seegemeinde, betonte die emsige Kulturreferentin Brigitte Grande. Passend zur 1275-Jahr-Feier des Ortes hat sie die Kulturnacht diesmal unter das Motto "Tutzing - gestern, heute, morgen" gestellt. Die milde, fast noch sommerliche Nacht lädt dazu ein, sich treiben zu lassen. In der proppenvollen Grundschulaula recken Eltern gebannt ihre Handys Richtung Bühne. Ihre Kinder lassen dort durchaus Nachdenkenswertes über die Zukunft vom Stapel, etwa die Klasse 1c in ihrem "Roboterlied" oder der Schulchor. Der singt vom Opa, der so komische Sachen sagt: "Oma, komm' mal her, dabei lebt die doch nicht mehr."

Ein Abstecher in die Akademie für Politische Bildung gestaltet sich schwierig. Der arabisch-bayerische Abend "Musik schafft Heimat" erweist sich als kompaktes, eineinhalbstündiges Konzert im geschlossenen Saal. Erleuchtete Bühne vorn, die gut 200 Zuhörer im Dunkeln, jedes Türöffnen wird als Störung wahrgenommen. Das Kommen und Gehen nach Belieben, das den Reiz der Kulturnacht ausmacht, ist da eher nicht angesagt. Dabei hätte es durchaus lockerer zugehen können, so frisch und unverkrampft, wie das "Duo Zweimalig" mit Christine Horter und Lisa Schöttl an Harfe und Hackbrett Bairisches, Irish Folk und Tango aufgespielt hat.

Ganz anders das Entree in der Christuskirche - offene Kirchentür, hell erleuchtetes Innere, mitreißende Stimmung. Christine Adler hat mit vielen Mitwirkenden eine hinreißende Schönheitsgalerie ganz eigener Art gestaltet. Musiker, Autoren, der Chor der Evangelischen Kirche unter Leitung von Ulrich Graf von Brühl-Störlein, eine Modenschau von Jugendlichen mit Entwürfen der afrikanischen Designerin Pauline Wörndl, Spiegelobjekte an den Wänden und anrührende Gedanken der jungen Alina Abgarjan zur Würde von Menschen setzten die Schönheit der Schöpfung in Szene.

Mit rund drei Dutzend Zuhörern eher spärlich besucht war die Darbietung von Jovita Dermota "Rund um Luther, Fundstücke" in der Evangelischen Akademie. Viele konnten sich wohl unter dem Titel nichts Rechtes vorstellen. Die 76-jährige, österreichische Schauspielerin trug ausdrucksstark aus Briefwechseln Luthers mit Zeitgenossen wie Philipp Melanchthon vor, ergänzt durch private Miniaturen. Die Zerrissenheit der Gesellschaft zu Zeiten Luthers nahm der Posaunist Sebi Tramontana mit seinen Klangbildern auf. Eine Geschichtsreise zum Leben am Starnberger See präsentierten Mitglieder der Tutzinger Gilde. Von bitterer Armut, Hagel, Dürre, Krankheiten, Kindstod und doch unerschütterlichem Gottvertrauen zeugen die Aufzeichnungen des Fischers Matthias Lettner, die er 1826 begann - in einer Zeit als Tutzing gerade 35 Häuser und 150 Seelen umfasste. Heute gilt Tutzing als Villenort mit hoher Millionärsdichte, in dem sich Leute wie Maffay zurückziehen. Und in Zukunft? Nur eines ist sicher. Die nächste Kulturnacht findet am 19. Oktober 2018 statt.

© SZ vom 23.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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