Kultur:Feinsinniges Fest

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Festlich: Sänger und Instrumentalisten unter der Leitung von Frieder Lang bei ihrem Auftritt. (Foto: Georgine Treybal)

Bei der Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium in der Friedenskirche Starnberg weicht Dirigent Frieder Lang mit subtilen Mitteln vom Standard ab und gibt den Chorälen Charakter

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Keine Frage, ohne Bachs Weihnachtsoratorium kein Weihnachten. Bei der Häufigkeit der Aufführungen sollte man glauben, dass dem Werk nichts mehr Überraschendes zu entlocken ist. Und doch stehen immer wieder neue Aspekte im Fokus. Etwas Besonderes war in der voll besetzten Friedenskirche in Starnberg schon, dass man die Musik des Protestanten Bach endlich auch mal in einer evangelischen Kirche hören konnte. War dies der Grund dafür, dass Frieder Lang am Pult verstärkt aus der Wortdeutung heraus interpretierte? Oder lag es vielmehr daran, dass er als Sänger grundsätzlich eine andere Herangehensweise aus dem Gesang heraus anstrebt? Wie auch immer: Bachs sinnenfreudiger Barock bietet dem emotionalen Ausdruck viele nuancierte Möglichkeiten, den inhaltlichen Aussagen immer wieder auch eine andere Atmosphäre zu hinterlegen.

Frieder Lang gehört zu den vielseitigsten Musikern hierzulande. Vor allem als Sänger, Kirchenmusiker und Musikwissenschaftler - bei der Textausdeutung durchaus auch als Germanist - griff er am Pult entsprechend eine Vielzahl an Aspekten auf, die in der Interpretation des Weihnachtsoratoriums eine Rolle spielen können. Besonders deutlich wurde es in den Chorälen, bei denen er nicht die übliche einheitliche Linie verfolgte, sondern eben aus dem Kontext heraus jeweils einen neuen Zugang suchte. So kam "Wie soll ich dich empfangen, und wie begegn' ich dir" extrem langsam sinnierend daher, breit und getragen. "Ach mein herzliebes Jesulein" bekam einen hymnisch-feierlichen Charakter mit strahlenden Trompetenfanfaren, während "Brich an, o schönes Morgenlicht" die Feierlichkeit kraftvoller exponierte. Bis schließlich "Seid froh dieweil, dass euer Heil ist hie ein Gott und auch ein Mensch geboren" mit akklamierender Kraft in besonders präziser Diktion das Finale einläutete.

Auf diese Weise erhielten die Choräle die Rolle des tektonischen Rahmens, in dem sich die vielfältige Nuancierung des Heilgeschehens aussagestark und geradezu szenisch abspielen konnte.

Eine so feinsinnige Interpretation funktioniert nur in einer absolut homogenen Umsetzung. Deren Gelingen verwunderte in Starnberg umso mehr, als in dieser Aufführung mehrere separat einstudierte Chöre zusammenarbeiteten. Mit dem Evangelischen Kirchenchor hatte im Vorfeld Ralf Wagner gearbeitet, mit dem von Feldafing-Pöcking Anne Isenberg, die außerdem dem Continuo am Orgelpositiv straffe Struktur verlieh. Hinzu kamen SDG-Chor und -Orchester München und Gäste sowie Gospel Church München. Schon alleine die logistische Koordination muss man bewundern, erst recht die inhaltliche.

Was das Solistenensemble betraf, fiel Frieder Langs Wahl auf kraftvolle, doch lyrische Stimmen, die auch hell erstrahlen konnten, insbesondere der Sopran von Anna Maria Bogner. Brigitte Langs Altstimme blieb weitaus wärmer, wie auch Bass Niklas Mallmann, der dennoch jede gravitätische Schwere vermied. Tenor Jonas Wuermeling zeigte sich vor allem als Erzähler sehr flexibel und vermochte in seinen Rezitativen zwischen einer Vielzahl an farblichen Nuancen und Ausdruckscharakteren zu changieren. In seiner einzigen Arie "Frohe Hirten, eilt, ach eilet" formte er plastisch-weich mit warmem Kolorit. Betörend schön spannte Brigitte Lang den melodiösen Fluss der Arie "Schlafe, mein Liebster", sanft ausgesungen im Dialog zur einfühlsam zurückhaltenden Flöte. Dem eindrucksvollen Sopran-Bass-Duett "Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen" gab Bach ein schillerndes Kolorit an die Hand, das die verhalten strahlende Bogner und der melancholisch singende Mallmann mit Leichtigkeit schwingen ließen.

Frieder Lang ging es aber auch um die Beachtung der Szenerien, in denen sich die Handlung der biblischen Geschichte von der Geburt Christi abspielte. Besonders berührend mit der Sinfonia, die zu Beginn des zweiten Teils mit der Hirtenszene eine pastorale Idylle ausmalte. Ein gefühlvolles Wogen, ruhig und in sehr langsamem Tempo ausgespielt. So sprach die Interpretation subtil an und begeisterte das Publikum in Starnberg, das nach lang anhaltendem Applaus den Schlusschor noch einmal zu hören bekam.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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