Kultur:´Besondere Stücke` von Fritz Winter

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Die Galerie im Fritz-Winter-Atelier in Dießen zeigt anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens bedeutende Werke deutscher Nachkriegskunst.

Von Katja Sebald, Dießen

Natürlich ist das ein Grund zum Feiern: Die Galerie im Fritz-Winter-Atelier besteht seit 25 Jahren. Es ist aber auch ein Grund zum Nachdenken und zum Neu-Schauen: Vor achtzig Jahren war der Maler Fritz Winter von den Nationalsozialisten mit einem Malverbot belegt worden, seine Bilder wurden aus Museen entfernt und entschädigungslos enteignet. Was er in der "Inneren Emigration" in seinem Dießener Wohnhaus schuf und auf dem Dachboden versteckte, sollte nach 1949 das künstlerische Aushängeschild der jungen Bundesrepublik werden.

Die "Besonderen Bilder", die Michael Gausling, Fritz Winters Großneffe und zugleich Galerist, jetzt in einer Ausstellung zeigt, sind nicht nur ein Stück Kunstgeschichte, sie sind auch ein Stück deutscher Geschichte. Zu sehen sind die Arbeiten in der Galerie im Fritz-Winter-Atelier in Dießen, einer Dependance des 1975 von der Nichte des Künstlers eröffneten Fritz-Winter-Hauses in Ahlen. Ihr Vorteil: Sie kann aus den reichen Beständen in Ahlen schöpfen.

Das Gemälde "Dreiklang" von 1968 gehört zu den "Besonderen Bildern" von Fritz Winter. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der 1905 als Sohn eines Bergarbeiters in Altenbögge bei Unna geborene Fritz Winter war am Staatlichen Bauhaus in Dessau Schüler von Paul Klee, Wassily Kandinsky und Oskar Schlemmer. Aus den Theorien von Kandinsky und Klee zum geistigen Anspruch abstrakter Kunst und aus der Mystik des Blauen Reiters entwickelte Winter bereits Anfang der 1930er Jahre sein zentrales Thema: Er verstand seine Kunst als Metapher für die Schöpfung und den Kosmos.

Das Mal- und Ausstellungsverbot bedeutete zwar das vorläufige Ende seiner künstlerischen Karriere, aber auch der Kriegseinsatz mit dreimaliger Verwundung und mehrjähriger Kriegsgefangenschaft konnten den Schaffensdrang dieses Künstlers nicht zügeln oder gar zerstören: Während eines Genesungsurlaubs in Dießen entstand im Jahr 1944 Fritz Winters Bildzyklus "Triebkräfte der Erde", der noch heute als Schlüsselwerk der Nachkriegskunst gilt.

Winter war Gründungsmitglied der Künstlergruppe ZEN 49 und einer der Vorreiter der abstrakten Nachkriegskunst. 1955 war er Teilnehmer der documenta I und erhielt noch im selben Jahr eine Professur an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste in Kassel, die er bis 1970 innehatte. Bis zu seinem Tod 1976 arbeitete er in seinem vom Bauhaus-Architekten Gustav Hassenpflug geplanten Atelier in Dießen.

In der aktuellen Ausstellung sind nun raumbestimmend zwei extrem großformatige Gemälde zu sehen, die in den Fünfziger Jahren in Kassel entstanden, ein weiteres, ebenso großes von 1966 und schließlich ein schlankes Hochformat, das 1934 mit dem Titel "Licht" in Öl auf Papier als Entwurf für das Folkwang Museum in Essen entstand.

Im einstigen Atelier des Künstlers in Dießen wird unter anderem das Gemälde "Dreiklang" gezeigt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Allein diese vier Arbeiten sind mehr als eindrucksvolle Zeugnisse für die immer neuen Bildfindungen in Winters Werk. Die kristallinen Formen und die Lichtmetaphorik der Dreißiger Jahre werden nach dem Trauma des Krieges von den unerbittlich schwarzen linearen Bildelementen abgelöst, die über viele Jahre bestimmend bleiben sollten, im letzten Lebensjahrzehnt aber dann einer reinen Farbflächenmalerei weichen.

Aber nicht nur diese geradezu museal großen Formate, die noch nie in Dießen ausgestellt wurden, sind sehenswert, es sind auch die kleineren Arbeiten, von denen einige wie die "Dunkle Landschaft" aus der Zeit des Malverbots stammen. Und es sind erst recht die selten gezeigten Papierarbeiten. Sie reichen von einem zartfarbigen Blatt aus dem Jahr 1929, das noch ganz an Paul Klee erinnert, über einige in Öl auf Karton entstandene, ebenfalls noch mit der Welt des Gegenständlichen verbundene Arbeiten aus den frühen Dreißiger Jahren bis hin zu einer winzigen Zeichnung mit dem Titel "Kleiner Blumengarten" aus dem Jahr 1960: Aus kaum mehr als ein paar Strichen und Tupfen entsteht hier eine wundersam poetische Bilderzählung.

Auf kleinstem Format ringt Winter auch auf seinen "Feldskizzen", die er als Postkarten von der Front nach Hause schickte, um Formfindung und Erzählung des Unsagbaren. Und schließlich gehören zu den "Besonderen Bildern" auch noch zwei Papierarbeiten aus den letzten Lebensjahren, als der kranke Künstler schon keine großen Formate mehr bearbeiten konnte.

Die Ausstellung "Besondere Bilder" ist noch bis zum 11. Februar 2018 im Fritz-Winter-Atelier in Dießen am Forstanger 15 a jeweils donnerstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr sowie sonntags von 11 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung sehen. Vom 18. bis 27. Dezember ist die Galerie geschlossen

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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