Kultur:Die Bernauerin auf Bairisch

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Beim elften Kraillinger Literaturfrühling stehen die Baderstochter, kriminelle Täterinnen und die Abenteuerin Carmen Rohrbach im Fokus. Aber auch die Ordensschwester Theodora wird aus ihrem Leben erzählen

Von Carolin Fries, Krailling

Früher haben sie es auch schon mal mit Lesungen von Bestsellerautoren versucht. Doch das Interesse des Publikums sei gering gewesen. "Die Kraillinger mögen es regional", sagt Diana Widmann, Leiterin der örtlichen Bibliothek und Kopf des inzwischen elften Literaturfrühlings. "Und bayrisch." Menschen aus der Umgebung stehen darum auch in diesem Jahr im Mittelpunkt der Veranstaltungsreihe, die die Gemeinde in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule anbietet.

Auftakt ist am Freitag, 20. März, die "Nacht der lebenden Bücher". "Das haben wir im vergangenen Jahr erstmals probiert und das kam total gut an", erzählt Widmann. Vier Persönlichkeiten aus der Gemeinde berichten in lockeren Gesprächen für jeweils 20 Minuten aus ihrem Leben und Wirken in der Bücherei - mit jeweils etwa acht Zuhörern an den Tischen. Eingeladen ist diesmal Schwester M. Theodora, Ordensschwester und Beauftragte für die Altenheimarbeit des Waldsanatoriums. Sie wird von ihrer Arbeit im Krankenhaus und der Berufsfachschule für Krankenpflege erzählen sowie von ihrer Tätigkeit im Beirat der Firma Adelholzener, welche sie bis 2019 ausübte. Marco Zickler und Michael Weigert stellen ihr Leben mit und bei der Feuerwehr vor: Beide engagieren sich dort seit ihrer Jugend ehrenamtlich, seit vergangenem Jahr sind sie Kommandanten.

Auch Rosi Beyer ist eine eingefleischte Ehrenamtlerin in der Gemeinde. Als Vorsitzende des Kulturfördervereins sind Kunst und Musik schon immer wichtige Bestandteile ihres Lebens. Sie wird erläutern, woher diese Leidenschaft kommt. Einblicke in die Natur wird Josef Wöhrle geben. Er ist Revierförster im Forst Kasten und weiß, wie es um den Wald im Würmtal bestellt ist. Sie alle sollen in der Bücherei zu lebenden Büchern werden. Diana Widmann freut sich auf interessante Gespräche: "Im vergangenen Jahr hatten unsere Referenten sich mitunter ein Manuskript zurecht gelegt", berichtet sie. Doch diese seien im Austausch an den Tischen dann gar nicht zum Einsatz gekommen.

Eine Auseinandersetzung mit klassischer und moderner Literatur bietet am Freitag, 3. April, Peter August Keßler in seinem Vortrag mit dem provokanten Titel "Würde Effi heute Burka tragen?". Er spinnt seine Fäden von Madame Bovary über Anna Karenina und Effi Briest bis hin zu den Frauengestalten der modernen Literatur. Sein Vortrag vereint Kulturgeschichte, Filmausschnitte und viele Lektüretipps.

Ins kalte Kanada entführt schließlich am Freitag, 24. April, Carmen Rohrbach mit ihrem Reisebericht und einer Bildershow. Einen Winter lang hat die 71 Jahre alte Weltreisende vom Ammersee in einer abgelegenen Holzhütte mitten in der Natur verbracht. Neben Kälte, Sturm, Schnee und Eis erlebte sie dort auch Wölfe, Elche und Weißkopfseeadler. Rohrbach berichtet von diesem einzigartigen Erlebnis und zeigt die beeindruckende Landschaft und Tierwelt im Sommer während einer Wildniswanderung in den Rocky Mountains sowie im Winter vor "ihrer" einsamen Hütte.

In der "Nacht der lebenden Bücher" erzählen am 30. März fünf Menschenaus ihrem Leben. (Foto: Veranstalter/oh)

Carl Orff steht am Freitag, 8. Mai, im Mittelpunkt einer Lesung. Der Komponist und Autor, der von 1955 an bis zu seinem Tod in Dießen gelebt hat, wäre heuer 125 Jahre alt geworden. Klaus Wittmann ist der einzige Sprecher im deutschsprachigen Raum, der Orffs Werke auf bairisch vortragen darf. In der Kraillinger Bücherei wird er in Mundart "Die Bernauerin" rezitieren. Geschichtlicher Hintergrund des Stücks ist die Liebesgeschichte des Thronerben Albrecht II., der sich heimlich die Baderstochter Agnes zur Gemahlin nahm. Herzog Ernst ließt die Bernauerin daraufhin gefangen nehmen und ertränken.

Mit weiblichen Tätern endet der Literaturfrühling schließlich am Donnerstag, 14. Mai, in der Linnermühle. Dort stellt die Stockdorferin Sabine Bachmair "Frauen auf Abwegen" vor und beleuchtet deren kriminelle Motive, Hintergründe und Handlungsmuster. Frauen seien in der Kriminalstatistik unterrepräsentiert - und dennoch würden ihre kriminellen Handlungen in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen, meint Bachmair: "Wer zum Beispiel so dumm war, auf Betrügereien von raffinierten Frauen hereinzufallen, galt als selbst schuld. Die Betrogenen wurden verlacht, die Täterinnen heimlich bewundert, die Strafen fielen milde aus." Andere Verfehlungen wiederum endeten vor den Augen vieler Zuschauer auf den Schafott. Der Vortrag versucht einen Bogen zu spannen von Vergehen bis hin zu schweren Verbrechen. Bachmair stellt auch die Frage, ob und warum Frauen anders und aggressiver handeln als Männer.

Der Eintritt zu Sabine Bachmairs Vortrag in der Linnermühle ist frei, Eintrittskarten werden wegen der begrenzten Platzzahl dennoch benötigt. Für alle anderen Veranstaltungen in der Bücherei kostet der Eintritt sechs Euro.

Kraillinger Literaturfrühling, fünf Veranstaltungen von 20. März bis 14. Mai. Karten gibt es ab sofort in der Bücherei in der Margaretenstraße, Reservierung auch per E-Mail an bibliothek@krailling.de

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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