Kreativ:Strandkorb auf Bayerisch

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Alpenkorb nennt Frank Artus die Mischung aus Strandkorb und Holzhütte. Pro Jahr verkauft er bis zu 150 Stück, obwohl die teuerste Variante 4900 Euro kostet. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Frank Artus hat den "Alpenkorb" erfunden. Die Freisitze stehen auf Skipisten und bei Bergrestaurants, in Wellnesshotels und Privatgärten. Nun verlegt der Garmischer sein Geschäft von Oberau nach Starnberg

Von Otto Fritscher, Starnberg

Vielleicht liegt es daran, dass er während seiner Bundeswehrzeit bei der Marine war und den Dienst auf einem Zerstörer namens "Bayern" verrichtete. Auf jeden Fall ist Frank Artus aus dieser Zeit der Anblick von Strandkörben, die in langen Reihen zentimetergenau ausgerichtet an den Stränden der Nord- und Ostesee stehen, sehr vertraut. Dann verschlug es den gebürtigen Kasseler nach Bayern, wo er nun seit 26 Jahren lebt. In Garmisch, die Berge quasi vor der Haustür. Auf die Idee, Strandkorb und Bayern zu verbinden, kam Artus fast zwangsläufig. Heimische Fichte statt Kunststoff, karierte Polster, Vorhänge, kleine Klapptische, alles ähnlich wie bei den Vorbildern an der Nordsee, aber doch erkennbar anders. Alpenkörbe eben.

Artus hat sich seinen Alpenkorb schützen lassen, sowohl als Geschmacksmuster beim Europäischen Patentamt und als Wort-Bild-Marke. Als er vor fünf Jahren anfing, trotz seines Außendienst-Jobs in der Lebensmittelbranche einen Nebenjob aufzubauen, war ihm klar, dass dies nur diese Verbindung der Strandkörbe mit den Bergen sein könnte. In Oberau entstand die Alpenkorb-Manufaktur, in jenem Ort vor Garmisch, den die viel befahrene Bundesstraße 2 durchschneidet. Zwischen Tankstelle, Abschleppdienst und Trachtengeschäft hatte Artus seinen Laden. "Aber es fällt nicht auf, man sieht es beim Vorbeifahren gar nicht", muss er feststellen. Ein Grund für ihn, umzuziehen in die ehemaligen Geschäftsräume eines Teppichhändler an der Hanfelder Straße in Starnberg im Rieser-Haus in unmittelbarer Nähe zum Tutzinger-Hof-Platz. "Hier steht man im Stau, hier wird man gesehen", sagt Artus und lacht. Als Blickfang hat er einen Alpenkorb auf den Gehweg vor seinem Geschäft gestellt, und in der Tat zieht der Strandkorb auf Bayerisch die Blicke der Passanten und Autofahrer auf sich.

"Der Starnberger See ist doch die passende Location", findet Artus, der eigentlich gelernter Koch ist. Zum Einstand in der Stadt hat er eine auf zehn Exemplare limitierte "Starnberger See-Edition" kreiert. Auf dem Polster des Fußteils sind die Umrisse des Sees in verschiedenen Blautönen "mit mehr als 1000 Stichen eingestickt", erklärt Artus, der mit einer Schreinerei in Oberau zusammenarbeitet und für das Herstellen der Bezüge eine Polsterei in Garmisch aufgetan hat, die auch ausgefallene Wünsche erfüllen kann. Solche Exklusivität hat ihren Preis. 2900 Euro soll so ein Freisitz kosten.

Das liegt preislich in der Mitte der drei Modelle, die zu haben sind: Relax kostet 2100 Euro, Ambient und Wildsteig 2800 Euro. "Wildsteig" klingt schon so, als ob man in diesem Freisitz Jodelkünste haben müsste; in der Tat ist er im Vintage-Look hergestellt, dazu gibt es braunes Kuhfell, Vintage-Leder und Vorhänge. Die Bretter, zumeist Fichte, stammen aus Wäldern der Region, aber auch Anfertigungen aus Lärche oder Zirbelkiefer sind möglich. "Ein Alpenkorb besteht aus ungefähr 80 Einzelteilen", sagt Artus. Mit dem geschwungenen Dach wirkt er elegant, und die beiden seitlichen Fenster sind rund und - Gott sei Dank, möchte man fast sagen - nicht in Herzerl-Form.

Und dann gibt es noch die Version aus "sonnenverbranntem Altholz"; das sind verwitterte Bretter, die aus alten Stadeln oder Scheunen stammen. "Solches Holz ist sehr teuer", erklärt Artus, und so ist auch der Preis mit 4900 Euro sehr exklusiv.

Offenbar ist er in eine Marktlücke gestoßen. Aus kleinen Anfängen hat er in den vergangenen Jahren immer zwischen 100 und 150 Stück verkauft. Wichtig ist ihm, dass alles handgefertigte Einzelstücke sind, deren Bau erst nach der Bestellung erfolgt. Drei Wochen dauert es dann bis zur Auslieferung. Auch die übernimmt Artus mit seinem VW-Bus persönlich. Die Freisitze sind regendicht, wetterbeständig und die Holzlasur wasserlöslich.

Wetterfest müssen sie sein, denn sie stehen auch auf Skipisten wie in Imst, in Bergrestaurants, in den Stationen von Bergbahnen, aber auch in vielen Wellnesshotels, Gasthöfen und vor allem in vielen Privatgärten. Eine der jüngsten Bestellungen kommt aus einem Berliner Hotel, das sechs Stück für einen Weihnachtsmarkt bestellt hat. Ein Großauftrag kam von Milka, das Schoko-Unternehmen hatte 80 Körbe bestellt, was eine große logistische Herausforderung war, denn auch diese Stückzahl wird in Handarbeit in der Schreinerei gefertigt. Auf Artus' Referenzliste stehen Audi, Feinkost-Käfer, die Milch-Marke Berchtesgadener Land und viele Hotels. "Es spricht sich eben herum", freut sich Artus. Seine Kunden kommen über Mundpropaganda, oder über das Internet.

Die Freisitze, hat Artus festgestellt, sind ein Saisongeschäft. "Im Frühling, wenn es warm wird, und im Sommer machen wir unser Hauptgeschäft", sagt der Firmenchef. Daher hat er sich etwas einfallen lasen, um die Räume in Starnberg auch im Winter zu nutzen: "Man kann einen Alpenkorb im Teamwork bauen", bis zu zehn Männer oder Frauen sägen, hobeln, schrauben und montieren gemeinsam, bis das Ding fertig ist. Drei bis vier Stunden dauert das. Auf der Rückenlehne des Mobiliars prangt dann das Firmenlogo, oder das des Vereins. "Eine Fackelwanderung oder eine Floßfahrt als Teambuilding hat doch jeder schon gemacht. Aber gemeinsam einen Freisitz bauen, das gab es noch nicht", ist Artus überzeugt. Nachhaltiges Teambuilding nennt Artus das. Die Werkstatt ist ein Teil des Showrooms in Starnberg. Oberau wird nach dem Umzug geschlossen.

© SZ vom 15.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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