Konzert:Sinn fürs Charakteristische

Lesezeit: 2 min

Ganz nah am Klangbild des jeweiligen Komponisten: Anna Buchberger bei ihrem Rezital im Schloss Seefeld. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Pianistin Anna Buchberger überzeugt in Seefeld mit hochdramatischer wie federleichter Musik

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Der zweite Abends der "Sternstunden am Klavier" hatte ein durchaus eigenwilliges Programm. Man kann daher davon ausgehen, dass der Publikumsandrang im Sudhaus des Seefelder Schlosses ausschließlich der Pianistin Anna Buchberger galt, und nicht etwa populärer Musikliteratur. Mit 30 und als werdende Mutter gehört Buchberger nicht mehr zu den Nachwuchskünstlern, erst recht nicht mit ihren internationalen Referenzen. Ihre Erscheinung sowie ihr Spiel bewahren sich dennoch jugendliche Frische - zumindest sofern es das Repertoire zulässt.

Mit der sperrigen a-Moll-Sonate D 784 von Schubert gleich zu Beginn war das kaum möglich. Ein Werk mit viel Piano bis Pianissimo Piano bereits in der gravitätisch-düsteren Einleitung, aus dem aber immer wieder gewaltige Klangmassen emporbrachen, eruptiv mit glühender Lava - ungewöhnlich, doch bei Schubert möglich unter der Satzbezeichnung "Allegro giusto". Buchberger bewies hier bereits, dass ihr musikalisches Ausdrucksvermögen die nötige Reife erreicht hat, eine derart gewichtige Materie überzeugend zu bewältigen. Sie erfordert kompromisslose Hingabe und tiefe Konzentration, insbesondere im andächtigen Andante, das Buchberger bis zum letzten Ton ausspielte, ohne zu forcieren. Das perlende Rieseln, das allmählich zu fließen begann im Schlusssatz, nahm den Beginn von Smetanas Moldau vorweg, suchte bald aber einen anderen Weg und mündete in einem wuchtig-virtuosen Finale.

Damit war zum Glück das hochdramatische, schwer verdauliche Fach für den Abend abgehandelt, das sich freilich noch nachhaltig auswirkte. Federleicht erschien dadurch anschließend Chopins "Grande Polonaise brillant précédée d'un Andante spianato" op. 22. Im Kontrast zu Schubert betörte das sanft schillernde Andante mit seinem seligen Gesang über wogenden Arpeggien. Die Polonaise selbst spielte Buchberger recht forsch und mit Schwung, aber auch dem nötigen majestätischen Prunk. Typisch für Chopin perlten die Läufe in schillernden Farben.

Das Herausarbeiten von Charakteristika beherrscht Buchberger zielsicher und mit untrüglichem Gespür fürs individuelle Klangbild des jeweiligen Komponisten. Umso überraschender nahmen sich die Vier Klavierstücke op. 119 von Brahms aus: romantisch verträumt, dann ruhelos einer seligen Melodie entgegentreibend, in C-Dur vergnügt und spritzig - ganz frei also von biedermeierlicher Schwere. Das war Buchbergers später Brahms, doch wohl ganz und gar im Sinne des Komponisten, denn er selbst spielte die Stücke, "als würde er improvisieren, mit Herz und Seele, manchmal vor sich hin summend, alles um sich herum vergessend", überlieferte die Schülerin von Clara Schumann, Ilona Eibenschütz, die auch die Uraufführung der Vier Stücke spielen durfte.

Der zielsichere Zugriff bedeutete bei Mozart indes eine schlanke Linie, klar und transparent, fast ohne rechtes Pedal. Aber nicht durchgehend, denn die seinerzeit bedeutende Mannheimer Sinfonik hatte den Genius beim Komponieren für sich vereinnahmt. Vor allem im Schlusssatz bahnte sie sich immer wieder den Weg in den Vordergrund, etwa in dramatischen Zäsuren zwischen dem perlenden Wirbeln oder auch in Passagen mit gewichtigen Akkordfolgen. War im Kopfsatz noch eine Vorliebe für filigrane Details spürbar, die Buchberger mit Klarheit und Präzision formte, so ergab sich mit dem kraftvollen Finale eine packende und schlüssige Dramaturgie.

Bearbeitungen werden heutzutage oft nachrangig behandelt, es sei denn, sie stammen von Liszt, der die jeweiligen Eigenheiten der Vorlagen großartig zu inszenieren verstand. Oft mit brillanter Virtuosität, wie etwa in "Widmung", der Bearbeitung von Robert Schumanns Rückert-Lied, das Buchberger zunächst in betörender schöner Melodie aussang. Sie sparte aber nicht mit Bravour, sobald ihr die Noten Virtuosität an die Hand gaben.

Das Besondere an Liszts Bearbeitungen ist sein Gespür für das Wesen der Vorlagen. In Clara Schumanns "Geheimes Flüstern hier und dort" blieb er daher beim melancholischen Fließen, das Buchberger einfühlsam umsetzte. Noch zarter in Robert Schumanns Original "Warum?" aus den Phantasiestücken in der Zugabe nach begeistertem Applaus.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: