Spätestens bei dem Lied "Lilli Marleen" sangen wirklich alle mit, sogar die Männer im Publikum. Etwa 50 Prozent der Besucher des Konzerts unter dem Motto "Musik im Kopf", das die Ilse-Kubaschewski-Stiftung im Rahmen der Bayerischen Demenzwoche am Sonntag im Niederpöckinger Tagungshotel "La Villa" veranstaltet hat, waren demenzkrank. Doch an den Text dieses Liedes von Lale Andersen, das während des Zweiten Weltkriegs zum weltberühmten Soldatenlied avancierte und in viele Sprachen übersetzt wurde, konnten sich alle erinnern.
Hier zeigte sich, was wissenschaftlich längst bewiesen ist: Auch wenn vieles in Vergessenheit gerät, an die Musikstücke aus Kindheit und Jugend können sich Demenzkranke noch lange erinnern. Musik wirkt sich positiv auf die Lebensqualität aus, baut Ängste und Aggressionen ab. Sie holt Demenzkranke aus ihrer Isolation und Emotionen werden wieder wach. Sogar jene Besucher, die in der fremden Umgebung im La Villa zunächst etwas ängstlich und verunsichert wirkten, tauten bei den bekannten Liedern aus den Dreißiger- bis Fünfzigerjahren auf. Ihre zuvor starren Züge wurden weich und die Musik zauberte ein Lächeln auf ihre Gesichter.
Die Münchner Sängerin Julia von Miller, eine Ur-Ur-Enkelin des berühmten Erzgießers Ferdinand von Miller, und der Pianist Manfred Manhardt konnten die 132 Besucher mit ihren Liedern in der ausverkauften Orangerie des Hotels wirklich begeistern. Mit rauchiger, voller Stimme rief Miller Erinnerungen wach an Filme mit Zarah Leander, Marlene Dietrich, Ilse Werner oder Heinz Rühmann. Schon zu Beginn spielte die Sängerin ihren Charme aus und motivierte das Publikum zum Mitmachen. Und sie zeigte Verständnis für Reaktionen, die bei Menschen Demenzerkrankung oft nicht vorhersehbar sind. "Sie dürfen ruhig rufen oder um eine Wiederholung bitten", sagte sie. Später lockte sie die Zuhörer aus der Reserve: "Wenn ihr Lust habt zu brüllen - jetzt wäre es an der Zeit." Nicht nur das Publikum, auch die beiden Künstler hatten offensichtlich viel Spaß. Am Ende gab es tosenden Applaus und laute Bravo-Rufe.
Das Konzert war eine von insgesamt 600 Veranstaltungen in Bayern während der Demenzwoche, mit denen die Menschen für die Thematik sensibilisiert werden sollten. Dass dafür der wunderschöne Rahmen im La Villa ausgewählt wurde, ist eine spontane Idee von Corinna Bürner gewesen, der Bereichsleiterin für Fürsorge im Alter im Ilse-Kubaschewski-Haus in Starnberg. Sie ist selbst Pöckingerin und hat einfach im Hotel angefragt. "Es tut gut, wenn an Demenz erkrankte Menschen herauskommen", sagte sie. Für den guten Zweck ist die Hotelleitung laut Christa Struck von der Ilse-Kubaschewski-Stiftung den Veranstaltern im Preis entgegengekommen. Das Konzert wurde zudem unterstützt vom Verein Desideria Care sowie von Sponsoren.
Doch um die Finanzierung hätten sich die Veranstalter ohnehin keine Sorgen machen müssen; das Konzert war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. "Musik geht in die Herzen - da spielt Demenz keine Rolle mehr", stellte Armin Heil, Geschäftsführer der Ambulanten Krankenpflege Tutzing fest. Die Einrichtung betreibt die zwei Wohngruppen für Menschen mit Demenz im Ilse-Kubaschewski-Haus. Heil freute sich insbesondere darüber, dass sich im La Villa, "an diesem besonderen Ort", schwer erkrankte Menschen mit gesunden Besuchern auf Augenhöhe treffen. Neben den Wohngruppen bietet die Ilse-Kubaschewski-Stiftung ein umfangreiches Beratungsangebot an, beispielsweise für Angehörige. Darüber hinaus werden demente Patienten im Landkreis von insgesamt 35 Helfern zu Hause betreut.