Konzert:Feurig und zart

Seefeld,  Schloß Konzert

Ganz in Rot: die Pianistin Lika Bibileishvili bei ihrem Konzert im Sudhaus von Schloss Seefeld.

(Foto: Georgine Treybal)

Die georgische Pianistin Lika Bibileishvili spielt in Seefeld drei große Werke der Musikliteratur und setzt dabei auf den Kontrast zwischen sinfonischer Klangfülle und feinsten Nuancen

Von Reinhard Palmer, Seefeld

Georgien ist ein überaus musikalisches Land. Seine Musik wurde von der Unesco in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen, gerade die komplexen polyphonen Vokalstücke gelten als gehobene Schule des Gesangs. Und Instrumente-Spielen wie Singen gehört zu den Grundlagen der Erziehung nahezu jeden georgischen Kindes. Kein Wunder also, dass immer mehr hochbegabte junge Musiker aus diesem Land die Konzertsäle erobern und herausragende Komponisten das zeitgenössische Repertoire bereichern.

Wer eine musikantische Früherziehung genossen hat, versteht es auch, kraftvoll zuzupacken. Etwa wie die zart-melancholisch anmutende Lika Bibileishvili, die schon mit ihrem leuchtend roten Kleid und dazu passendem Lippenstift signalisierte, dass ihr Rezital im Sudhaus des Seefelder Schlosses eine feurige Angelegenheit werden würde, auch wenn man ihr das vielleicht zunächst nicht glauben wollte. Doch die 30-Jährige hielt was ihr Outfit versprach.

Das Repertoire zeugte von dem Willen, eigene Grenzen auszuloten. Nach den drei großen Brocken der Musikliteratur - Beethovens A-Dur-Sonate op. 101, Ravels "Gaspard de la nuit" und Liszts h-Moll-Sonate - zeigte Lika Bibileishvili noch lange keine Ermüdungserscheinungen, sodass auch die Zugabe energisch und feurig erklang: die virtuose, folkloristisch aufgeladene Rondo-Toccata von Revaz Lagidze, einem georgischen Komponisten des 20. Jahrhunderts.

Ein übermütiges, aber bis zum Schluss stimmiges Programm, das Bibileishvili auch dramaturgisch überzeugend aufrollte. Ihre kraftvollen Verdichtungen und donnernden Höhepunkte (im überakustischen Gewölberaum leider mit harten Spitzen) öffneten viel Raum nach unten hin, den die Georgierin mit reicher Differenzierung und viel Fingerspitzengefühl zu nutzen verstand. Auch in den leisen, zarten Rücknahmen ging sie in die Extreme, ohne den Spannungsbogen absinken zu lassen. Ob nun das geistvolle Sinnieren bei Beethoven, für das der Komponist "langsam und sehnsuchtsvoll" vorschrieb, das zarte Flirren in Ravels erstem Satz "Ondine" oder auch Liszts lyrische Passagen von romantischer Süße: Die klare Unterscheidung in der anschlagstechnischen Ausprägung machte die musikalische Qualität der Interpretationen aus.

Bibileishvili versteht es, die feinen stilistischen Nuancen aufzuspüren. Dabei ging die Pianistin akribisch und extrem präzis vor. Das reichte bis zur Pedalarbeit hin, bei der sich Bibileishvili nicht die geringste Verschwommenheit leistete. Das schnelle Zucken mit dem rechten Pedalfuß war optisch zwar etwas irritierend, doch diese kleine Bildstörung brachte eine überzeugende Klarheit und Transparenz mit sich. So war es ihr möglich, auch im engen Legato jeden Ton für sich sprechen zu lassen. Darauf basierte vor allem das leuchtende Schillern in Ravels impressionistischen Klangwogen. Aber auch die orchestrale Wirkung im rasanten Schlusssatz bei Beethoven, in dem Bibileishvili scharfe Rhythmisierung mit runder Klangbildung zu kombinieren vermochte.

In Liszts großer h-Moll-Sonate erwies sich die Präzision in der pedalgestützten Tonformung gar als essenziell, um etwa den donnernden Oktavläufen trotz der sinfonischen Größe die pianistische Qualität zu erhalten und diese Eruptionen nicht zu gravitätischen Erdrutschen werden zu lassen.

Lika Bibileishvili scheute auch keine monumentalen und zutiefst ernsten Wirkungen - letzteres ausdrucksstark in einem düsteren Ravel-Bild vom Galgen "Le Gibet". Beethovens Sonate wäre auch ohne große Gesten eine recht seichte Geschichte. Ihre Bestimmung zum Vortrag auf dem Hammerflügel weist schon darauf hin, dass Beethoven explizit die satten Klangmöglichkeiten des neuen Instruments nutzen wollte. Erst recht Liszt, der in seiner Fantasie-Sonate viel Raum für große Szenarien zur Verfügung stellte, ja das Stück geradezu daraufhin fokussierte.

Bibileishvili ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, dem Flügel sinfonische Klangfülle zu entlocken. Was auch zur Folge hatte, dass sich die feinfühligen Rücknahmen geradezu fragil ausnahmen. Solche Wechselwirkungen und Kontraste verstand die überaus effektiv agierende Pianistin immer wieder gezielt zu platzieren. Das verlieh ihren Interpretationen eine enorme Spannung und einen Erlebnischarakter von imaginativer Kraft. Und das begeisterte die Zuhörer im ausverkauften Saal.

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