Kommunalwahl in Weßling:Der freundliche Bürgerbär

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Zufrieden nimmt Rathauschef Michael Muther nach zwölf Jahren Abschied. Er sei gut mit den Leuten ausgekommen. Rückblickend meint der 65-Jährige jedoch, dass etwas mehr Strenge und Schärfe vielleicht nicht geschadet hätten

Von Patrizia Steipe, Weßling

Den Neubau eines weiteren Kindergartens hätte er gerne noch auf den Weg gebracht und die Verhandlungen zum Kauf der Bahnhofsgebäude beendet. "Es gibt so viele Themen, die kann man gar nicht alle schaffen", bedauert Michael Muther. Seit 2008 ist er Bürgermeister in Weßling. Nach zwölf Jahren neigt sich seine Amtszeit dem Ende zu. "Drei Monate noch, dann bin ich daheim", freut er sich. Am 26. Februar wird er 66 Jahre alt. "Es reicht", sagt Muther. Ein wenig wehmütig ist er aber doch.

Seit 1988 ist er im Rathaus beschäftigt. Seine Frau hatte damals im Gemeindeschaukasten gelesen, dass die Gemeinde einen Kämmerer sucht, und Muther, der mit seiner Familie in Weßling wohnte, hatte sich erfolgreich beworben. "Vorher war ich im Gefängnis", berichtet Muther. Immer wenn er diese Geschichte erzählt, freut er sich diebisch über die ungläubigen Gesichter. Denn natürlich war er nicht Insasse in Stadelheim, sondern in der Personalverwaltung beschäftigt.

Zunächst war er bis 2002 Kämmerer unter Hans-Thomas Mörtl, dann unter Monika Meyer-Brühl. 2008 trat er selbst als Bürgermeisterkandidat an. Er kam in die Stichwahl und gewann gegen seine Chefin. Sechs Jahre später wurde er gleich im ersten Wahlgang als Bürgermeister bestätigt. "Ich glaube, ich habe das ganz gut gemacht", sagt er rückblickend. "Ich hatte es leicht, weil ich aus der Verwaltung kam", erinnert er sich. Oft sei er eingesprungen und habe Verwaltungsaufgaben übernommen, wenn wieder einmal Not am Mann geherrscht habe.

Wenn die Grundschüler beim Faschingsumzug am Rathaus Halt machen, dann stürzt sich der Bürgermeister persönlich ins Getümmel - oft in seinem Eisbärenkostüm, zuletzt aber auch als Hippie. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Einiges konnte in seiner Amtszeit erreicht werden. Kindergärten wurden gebaut, Straßen, Radwege und Wohnungen errichtet, die Gemeinde kämpfte gegen die Ausweitung des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen und beteiligte sich finanziell am Bau der Umfahrung. "Die bringt uns allerdings viel Ärger mit Kröten und Co.", meint Muther.

Stolz ist er, dass für zwei besonders heikle Themen gute Lösungen gefunden wurden. Die Weßlinger und Oberpfaffenhofener Freiwilligen Feuerwehren teilen sich seit ein paar Jahren ein gemeinsames neues Feuerwehrhaus und bald wird es statt der beiden kleinen Grundschulen am Ort auf dem Gelände des Sportplatzes eine gesamte Schule für alle Kinder geben.

Als er angefangen hatte, waren acht Mitarbeiter im Rathaus beschäftigt. "Jetzt sind es doppelt so viele", erklärt Muther. Trotzdem kämen seine Leute wegen der gestiegenen Anforderungen und dem Bürokratismus mit ihrer Arbeit kaum nach.

Seine Mitarbeiter wird er vermissen, genauso wie den Gemeinderat und den Kontakt mit den Bürgern. Er sei gut mit den Leuten ausgekommen. Oft sei er bei Problemen bei den Betroffenen vorbei gefahren. "Ich habe niemanden ins Büro zitiert."

Rückblickend meint er, dass etwas mehr Strenge und Schärfe nicht geschadet hätten. Wenn es ihm zu viel wird, lässt er jedoch durchaus bayerische Schimpfkanonaden los, die sich gewaschen haben. Im Gemeinderat hat man ihm das Zaudern und die Tendenz, Konflikten aus dem Weg zu gehen, vorgeworfen. "Ich bin halt ein gutmütiger Typ", erklärt er. Eine Art freundlicher Bär, in den er sich regelmäßig dank eines Eisbärenkostüms auch äußerlich verwandelt hat, wenn die Grundschüler bei ihrem Faschingsumzug am Rathaus Halt gemacht hatten.

Der gute Kontakt zu Mitarbeitern und Gemeinderat hat sich nach der Erkrankung seiner Frau Renate ausgezahlt. Seit fünf Jahren unterstützt er sie bei ihrer Gesundung. Seine beiden Stellvertreter hätten ihm viel abgenommen, berichtet er dankbar. Trotzdem gibt es Phasen, in denen er fünf Abendtermine hat und am Wochenende weg muss. Früher habe er auch gerne die Versammlungen von sozialen Einrichtungen wie dem Kinderschutzbund, der Lebenshilfe oder dem Roten Kreuz besucht, "die leisten so wertvolle Arbeit". Doch seitdem seine Frau krank ist, hat er das aufgegeben, damit sie nicht zu oft alleine daheim sein muss.

Endlich mehr Zeit für sie zu haben, aber auch für die sechs Kinder, die zwischen 24 und 34 Jahre alt sind, darauf freue er sich besonders. Er möchte sich wieder Hühner zulegen, Gemüse anbauen und sich um das Haus kümmern. Außerdem freut er sich über Auszeiten in Südtirol. Regelmäßig fahren die Muthers in die kleine Pension im Vinschgau, in die die Landkreis-Bürgermeister bereits zu Mörtls Zeiten ihren Jahresausflug gemacht hatten. Die Bürgermeister unternehmen mittlerweile Städtereisen, Muther ist dem idyllischen Flecken bei Meran treu geblieben.

Aus seinem Amtszimmer wird er zwei Sachen mitnehmen. Das eine ist ein Bild, das eine ruhende Raubkatze zeigt. Er hatte sich die Requisite von einer Filmcrew erbeten. Das Rathaus war vor einiger Zeit nämlich Schauplatz für eine Folge der Serie "Rosenheim Cops". "Der Löwe geht schlafen", lacht Muther und man weiß nicht so recht, ob damit er oder das Tier gemeint ist. Auch sein Holzkreuz wird Michael Muther einpacken. Darauf ist Christus als König mit aufrechtem Haupt und einer Krone dargestellt und nicht als Leidender mit Dornenkranz. Diese Haltung entspricht dem Lebensmotto des scheidenden Bürgermeisters: "Man muss geradeaus durch das Leben gehen."

© SZ vom 10.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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