Kandidat für den Tassilo 2018:Der Lebenskünstler

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Winziges Museum für zeitgenössische Kunst: Andreas Kloker vor seinem mit Texten und Zitaten beschrifteten "Skriptorium". (Foto: Georgine Treybal)

Andreas Kloker, der Herr des Schondorfer "Skriptoriums", macht das Leben zur Kunst.

Von Katja Sebald, Schondorf

Man kann eilig vorbeigehen und demonstrativ nicht hinschauen. Langsam vorbeischlendern und einen vorsichtigen Blick wagen. Jeden Tag zur selben Zeit kommen und dem Künstler zuschauen, ihn womöglich in ein Gespräch verwickeln. Oder aber spätabends oder frühmorgens hingehen und sich im hell erleuchteten Fenster heimlich alles ganz genau anschauen. Manchmal erfährt Andreas Kloker erst Jahre später von jemandem, der seine Kunstprojekte im Schaufenster des ehemaligen Fremdenverkehrsamts in der Bahnhofsstraße verfolgt hat.

Als der Künstler Kloker vor 20 Jahren den Mietvertrag für das kleinste Haus in Schondorf unterschrieb, da machte ihm die Gemeinde zur Auflage, auch das Fenster zu nutzen. So entstand die Idee zu einem ersten Kunstprojekt, das sich an den mehr oder weniger regelmäßig vorbeigehenden Betrachter richten sollte. "Löffel Löffel Löffel" hieß eine Ausstellungsreihe, die im Juli 1997 ihren Anfang nahm und ziemlich genau ein Jahr später endete.

Jeweils drei mehr oder weniger alltägliche Gegenstände waren immer eine Woche im Fenster ausgestellt, dann wurde einer ausgewechselt. Drei Löffel machten damals den Auftakt zu den "Beziehungsweisen der Dinge", die dann auch in einem schön aufgemachten Buch erschienen.

Seither ist viel passiert in dem Häuschen, das Kloker als "Skriptorium" bezeichnet: Zuletzt überzog er es mit einer Haut aus Text, Zitaten von Freunden und Nachbarn über ihre fremde Muttersprachen. Vor allem aber dient es immer wieder als Projektraum für andere Künstler und ist so zu einem, wenn auch winzigen, Museum für zeitgenössische Kunst geworden, an dem die Schondorfer auf ihrem täglichen Weg zum Bahnhof ebenso vorbei müssen wie die Ausflügler und Urlauber auf ihrem Weg zum See. Das führt zu oftmals überraschenden und vielleicht auch irritierenden Begegnungen mit Kunst in Momenten, in denen man nicht damit rechnet.

Aber genau das will Andreas Kloker: die Kunst zu den Menschen bringen, möglichst viele an seinen Performances und Aktionen teilhaben lassen, sie zum Nachdenken über den Umgang mit ihrer Lebenszeit anregen, am besten gleich das ganze Leben zur Kunst zu machen. Er sagt: "Es ist mein Wunsch, alle meine Tätigkeiten, auch die alltäglichen, in den künstlerischen Prozess mit einzubeziehen."

Dafür hat er zum Beispiel den "nicht eingetragenen" Verein B.R.O.T. für "backen, regional, organisch, traditionell" gegründet: Seit mehr als dreißig Jahren backt Andreas Kloker einmal in der Woche Brot für Freunde. Auf seinem Grundstück gibt es ein Backhaus, das mit Holz befeuert wird. Das Holz wächst ebenfalls auf dem Grundstück, es wird sozusagen bei den Gartenarbeiten geerntet. Auch das Brotbacken versteht er als Kunstprojekt, als Teil seiner Lebenskunst.

Andreas Kloker wurde 1948 auf einem Einödhof in der Nähe des Ammersees geboren und hat fast sein ganzes Leben am Ammerseewestufer verbracht. In Schondorf geht in Sachen Kunst eigentlich gar nichts ohne ihn. Sein bekanntestes und meist benütztes Werk, so sagt er schmunzelnd, ist das Spielschiff in den Schondorfer Seeanlagen. "Benützt" wird freilich auch das geradezu elegante Toilettenhäuschen gleich daneben, das nach seinen Entwürfen gebaut wurde. Auch die Stele am Badeplatz der Gemeinde, die auf sehr poetische Weise den Standort einer römischen Therme dokumentiert, hat Andreas Kloker gestaltet, ebenso eine kleine Erinnerungsstätte für Thomas Theodor Heine in Dießen.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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