Kammermusik:Große Kleinbesetzung

Lesezeit: 2 min

Lassen die Entwicklung des Komponisten Beethoven Revue passieren: Ingolf Turban, Jürgen Weber und Reiner Ginzel (v.li.). (Foto: Franz Xaver Fuchs)

In der Evangelischen Akademie Tutzing führt das Deutsche Streichtrio mit Musik von Beethoven die Kunst der Differenzierung vor

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Streichtrios sind unter den Ensembles immer noch eine eher seltene Konstellation, obgleich es für diese Besetzung eine beachtliche Anzahl an anspruchsvollen Werken bedeutender Komponisten gibt. Das Deutsche Streichtrio, aktuell mit Ingolf Turban (Violine), Jürgen Weber (Viola) und Reiner Ginzel (Violoncello), beackert das Feld emsig schon seit mehr als 40 Jahren und sorgt beim Publikum bis heute für manchen Aha-Effekt. Ginzel, zugleich Vorsitzender des veranstaltenden Vereins Musikfreunde Tutzing, hatte bei den zwei Schlosskonzerten in der Evangelischen Akademie Tutzing ein Heimspiel. Doch auch darüber, wer Turban und Weber sind, musste man hier niemanden aufklären. Eine so vertrauliche Atmosphäre ist der Kammermusik grundsätzlich zuträglich, auch wenn Beethovens Streichtrios bereits den Weg aus dem aristokratischen Salon in den öffentlichen Konzertsaal angetreten hatten. Gerade diese frühen Kompositionen des diesjährigen Jubilars - 250. Geburtstag - sind daher von besonderer Bedeutung.

Mag sein, dass vieles im Trio Es-Dur op. 3 noch an die Vorbilder, vor allem Mozart und Haydn, erinnert. Doch es ist unverkennbar ein Werk Beethovens, der mit etwa 22 Jahren mit dieser Komposition bewies, wie klar seine musikalischen Vorstellungen bereits ausgeprägt waren. Dass er den Ruf eines recht ungehobelten Menschen genoss, nahmen die drei Musiker in Tutzing mit ruppiger Pointierung ins interpretatorische Konzept bereits des Kopfsatzes mit rein. Aber das kraftvolle Temperament des Beginns bot zugleich einen starken Kontrast zur geschmeidig-fließenden Antwort darauf, die wunderbare Wärme ausstrahlte. Die galante Melodik trug der Rückwärtsgewandtheit Rechnung. Und auch die sechssätzige Form nach Mozarts Vorbild ( Streichtrio Es-Dur KV 563) rückte Beethovens Trio in die Nähe eines Divertimentos, wenn auch verhalten vergnüglich.

Die Form mit je zwei langsamen Sätzen und Menuetten übernahm er ebenfalls von Mozart, doch mit dem klaren Vorsatz, sie in eigener Sprache weiter zu denken. Vor allem mit unentwegten Hell-Dunkel-Kontrasten, die bisweilen noch nach Mozarts Art subtil changierten. Doch immer wieder fanden die Musiker in der Dramatik der Verdüsterungen zu weit stärkeren Ausprägungen, schreckten dann auch vor allem in den Rahmensätzen mit charaktervollem Ton nicht vor Derbheit zurück. Dazwischen griff das Deutsche Streichtrio die liedhaften und tänzerischen Formen mit reichem Kolorit auf, hielt sich in der Heiterkeit etwas zurück, dagegen in der markanten Pointierung der Menuette kaum. Im beherzt wirbelnden Allegro-Finale ließ das Ensemble dann mit einem reichen Auf und Ab die Zügel locker für den entschieden gesetzten Schlusspunkt.

Das viersätzige D-Dur-Trio op. 9/2 gelangte schon im Sinne der Gattung Streichtrio zu einer strengeren Form. Nur wenige Jahre später entstanden, dokumentiert dieser Sprung die rasend schnelle Entwicklung des Komponisten. Als "das beste meiner Werke" bezeichnete Beethoven die drei Streichtrios des Opus 9. Tatsächlich waren im Konzert klarer umrissene Formen zu erkennen. Die Gattungsentwicklung hatte einen entscheidenden Schritt getan. Turban, Weber und Ginzel setzten die Straffheit der thematischen Arbeit konsequent um. Auch hier kontrastierte Beethoven kraftvolle Passagen mit sanglicher Melodik, doch erklangen die Wechsel nun sorgfältiger aufeinander abgestimmt. Die ruppigen Brüche wichen folgerichtigen Wendungen, auch wenn es dieser Musik nicht an Kraft und orchestraler Fülle fehlte. Beeindruckend belegt von der Themenvorstellung im Andante durch die sonore Bratsche. Das agile Menuetto kam fast schon beschwingt daher. Einen effektvollen Kontrast arbeitete das Deutsche Streichtrio indes im Schlossrondo zwischen wirbelnder Leichtigkeit und melancholischem Thema heraus. Tiefgreifend Vergnügliches mit Schmiss folgte erst in der frenetisch erklatschten Zugabe mit dem Allegretto alla Polacca aus Beethovens Serenade op. 8.

© SZ vom 03.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: