Wirtschaft im Landkreis Starnberg:Wo Roboter Roboter bauen

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Ein Mann, eine Leidenschaft: Christian Stangl ist für den Bereich TQ-Drives verantwortlich - und damit für Elektrofahrräder. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der Elektronikkonzern "TQ-Systems" schreibt mit der Produktion von E-Bikes und Robotern Erfolgsgeschichte im Mittelstand. Doch auch hier kämpft man mit den gegenwärtigen Problemen der Zeit.

Von Tim Graser, Inning

Ein breiter Gang teilt die Werkshalle in zwei Hälften auf: Rechts werden die Elektromotoren zusammengebaut, die gerade die E-Bike-Industrie erobern, links die viel kleineren elektronischen Servomotoren, die in der Robotik international schon längst nicht mehr wegzudenken sind. Auf etwa 2400 Quadratmetern Produktionsfläche im Inninger Gewerbegebiet findet zur Zeit etwas statt, das die konjunkturbedingten Bauchschmerzen der bundesdeutschen Ökonomen und Finanzexperten lindern könnte: jährlich neue Umsatzrekorde, blühende Exporte und das alles "Made in Germany".

Dem Elektronikkonzern "TQ-Systems", der im Landkreis Starnberg bald 30 Jahre zuhause ist, geht es prächtig. Christian Stangl kann sich das Lächeln nicht verkneifen. Der Chef von "TQ-Drives", so der Name unter dem diese Unternehmenssparte firmiert, sitzt im Meetingraum des Verwaltungstrakts am Standort Inning und spricht vom Geschäft: 14 Millionen Euro haben die Inninger im vergangenen Geschäftsjahr zum Gesamtumsatz des TQ-Konzerns beigetragen, 70 Millionen Euro sind es dieses Jahr - damit hat sich der Betrag verfünffacht. "In der Robotik haben wir uns fast verdoppelt", so Stangl. "Nachhaltig wachsen, in Deutschland wachsen", beschreibt er die Philosophie des mittelständischen Konzerns. Das Konzept geht auf, wobei eigentlich jede Firmensparte mittlerweile als einzelner Mittelständler betrachtet werden könne, meint Stangl.

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TQ-Drives ist nur eines von sechs Geschäftsfeldern, auf denen die TQ-Gruppe mittlerweile mitmischt. Auch in Luftfahrt, Medizintechnik und Energiemanagement investiert der Konzern. Den Großteil machen immer noch das Produzieren und Bestücken von Leiterplatten aus. Damit hat alles angefangen. Und das sei nach wie vor die "Kernkompetenz" des Unternehmens, so Stangl. Am Hauptsitz im Seefelder Ortsteil Delling werden diese Platten produziert. Neben Delling und der Produktionsstätte in Inning gibt es sieben weitere Standorte in Deutschland, einen in Ungarn, einen in den USA und zwei in China.

Produziert wird aber fast ausschließlich in Deutschland, nur in China gibt es noch eine kleines Fertigungswerk, der Rest ist für Entwicklung oder Vertrieb zuständig. Chinesische Kunden hätten den Konzern zur Produktion in der Volksrepublik "gezwungen", aber nur für den dortigen Markt. Importe zurück nach Deutschland gebe es dabei keine, versichert Stangl.

Auf dem Tisch im Meetingraum liegt das neueste Schmuckstück: "HPR50" lautet der etwas sperrige Name für das E-Bike-Antriebssystem - "also Motor und Getriebe zusammen", das ist dem Chef wichtig. Einzeln sind die Bauteile unbrauchbar, nur wenn man beides perfekt kombiniere, "entsteht ein richtig gutes Produkt", sagt Stangl. Es sei das leichteste, leiseste und kleinste E-Bike-System auf dem Markt. "Der vergleichbare Bosch-Motor ist immer noch doppelt so groß." Ein schmaler Akku macht den Fahrradrahmen sehr schlank, man erkennt erst auf den zweiten Blick, dass es sich um ein E-Bike handelt.

Weltweit sind etwa 2200 Menschen bei der TQ-Gruppe beschäftigt

Namhafte Fahrradschmieden im E-Bike-Bereich wie Trek, Scott oder Rotwild greifen mittlerweile auf den TQ-Antrieb zurück. Mit weiteren Herstellern ist man bereits im Kontakt. Für diese Größe sei die Motorleistung ein Meilenstein, trotzdem richtet sich dieser Antrieb an Leute, die mit ihrem Fahrrad - ob Mountainbike, Rennrad oder Trekkingbike - sportlich unterwegs sein wollen. Wer die Arbeit beim Treten ganz abgenommen haben will, müsse auf schwerere Akkus und Motoren zurückgreifen. Mit dem TQ-Antrieb sei das Fahren ähnlich anstrengend wie auf einem herkömmlichen Fahrrad ohne Strom, "aber man kommt damit weiter und höher", so Stangl.

E-Bikes sind das Eine. Doch vor allem in der Robotik habe TQ-Drives die Nase vorne. Ihre kleinen Servomotoren seien "mit Abstand die Besten" auf dem Markt, so Stangl. Der kleinste davon ist gerade einmal so groß, wie eine Zwei-Euro-Münze. Alle Arten von Robotern haben ihre Motoren verbaut: Service-Roboter, die den Menschen unterstützen (beispielsweise in der Pflege); medizinische Roboter, die von einem Arzt ferngesteuert komplexe Operationen durchführen; Minenräum- und Bombenentschärfungsroboter oder klassische Leichtgewichtroboter, wie sie in Fabriken zur Fertigung eingesetzt werden. Letztere sind auch in Inning im Einsatz und helfen bei der Produktion der Motoren. "Roboter bauen Roboter", sagt Stangl und lacht.

Nicht alles macht der Roboter: Die Anker für die Motoren werden hier von Hand besonders eng gewickelt. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
TQ-Systems hat seinen Bereich TQ-Drives in den ehemaligen Produktionsanlagen von Codello im Inninger Gewerbegebiet untergebracht. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der 52-Jährige ist mit Unterbrechung nun schon seit 1994 bei TQ, dem Jahr der Firmengründung. Die zwei Gründer Detlef Schneider und Rüdiger Stahl - beide sind bis heute Inhaber und Geschäftsführer - haben das Unternehmen in den 90er Jahren aufgebaut. Damals war der Anspruch noch geringer: "Mehr als 40 Leute wollen wir gar nicht werden", erinnert sich Christian Stangl an einen Satz der Firmengründer aus den Anfangszeiten. Das Unternehmen sei jedoch immer weiter gewachsen, weitere Standorte mussten her, 2002 schaffte es TQ erstmals unter "Bayerns Best 50" der Unternehmen mit besonderer Wachstumsstärke. Heute sind weltweit etwa 2200 Menschen bei der TQ-Gruppe beschäftigt.

Dass der Konzern mit seinen Produktionsstandorten nicht wie viele andere ins Ausland abgewandert ist, sei der Verdienst von Schneider und Stahl. Die hohe Eigenfinanzierung der Geschäftsführer am TQ-Konzern habe eine langfristige Planung vor Ort ermöglicht, den Preisdruck gedämpft und von der Notwendigkeit befreit, Produktion ins Ausland zu verlagern.

Außerdem sei man mit der Fertigung in Deutschland bei TQ schon immer konkurrenzfähig gewesen und werde es auch weiterhin sein, sagt Christian Stangl. Das liegt auch an den Umständen: Die Elektronikindustrie ist nicht so anfällig wie andere Wirtschaftssparten, da beispielsweise die Fertigung nicht viel Energie benötigt. Wie Zahlen des Verbandes für Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) belegen, geht es der ganzen Branche nicht schlecht: Bundesweit stieg der Umsatz mit elektronischen Bauelementen aus deutscher Produktion seit 2021- zum Höhepunkt der Pandemie - jährlich um circa 20 Prozent.

Es kommt oft auf Millimeterarbeit an. (Foto: Franz Xaver Fuchs)
Produktionsleiter Julian Hornung in der Fabrikhalle. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Während Corona ist auch die Nachfrage nach E-Bikes in die Höhe geschnellt. Lieferengpässe bremsten jedoch die Produktion, auch bei den Inningern. Umsatz haben sie trotzdem gemacht, in Kurzarbeit musste hier niemand gehen. Stattdessen wurden sogar neue Stellen aufgebaut: Aus den anfänglich 70 Mitarbeitern, mit denen man 2019 in Inning startete, sind mittlerweile 200 geworden. Luft nach oben gibt es trotzdem reichlich. "Die größte Herausforderung ist das Personal", sagt Stangl. 150 offene Stellen schreibt der Konzern auf seiner Website aktuell aus - 25 davon allein in Inning.

Schon lange ist bei der Personalakquise in der Technologiebranche ein regelrechter Kampf um die besten Arbeitskräfte ausgebrochen. Große Konkurrenten wie BMW oder Bosch könnten die Top-Leute von der Uni einfach "wegkaufen", da könne man als Mittelständler nur schwer dagegen bestehen, so Stangl. TQ versucht es trotzdem: In Delling gibt es mit dem "TQ Kinderhaus Hirschkäfer" für die Angestellten einen konzerneigenen Kindergarten, am Wörthsee besitzt man schon seit Langem ein großes Grundstück mit Liegewiese am Wasser. Alles für die Angestellten.

Zudem wird die Werbetrommel gerührt: Erst im Juni konnten sich Interessierte am "Bewerbertag" die Produktion in Inning selbst ansehen, ebenso schon im vergangenen Herbst. Das Interesse dabei sei groß gewesen, von Studierenden über Schulabgänger, die sich nach einem Ausbildungsplatz umsehen. Am 21. Oktober ist Tag der offenen Tür, wo man erneut auf großen Rücklauf hofft. Die guten Leute kommen nicht mehr von alleine, wie viele Mittelständler sucht auch die TQ-Gruppe händeringend nach Personal.

Punkten will man deswegen auch mit dem Arbeitsklima. Mit dem Chef (eigentlich "Bereichsverantwortlicher") sind hier alle per Du, viele junge Menschen laufen leger gekleidet durch den Verwaltungstrakt, es wirkt familiär. Schwarz-Weiß-Porträts vom ganzen Team zieren die Gänge im Inninger Firmengebäude. "Vor allem die Richtigen muss man finden", sagt Stangl. Er meint vor allem Menschen, die auch charakterlich ins Team passen, das mache die Arbeit hier aus.

Es geht um E-Mobilität, Robotik und innovative Technologie allgemein: alles Themen mit Zukunft. Vielen jungen Leuten ist das heutzutage wichtiger als das allerbeste Gehalt. Darauf hofft auch Christian Stangl.

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